Die Rache
durchstehen.
Lace oder Jumpup würden da sein, wenn die Wagen hielten und jemand nach Stoff fragte. Sie verstanden sich zwar darauf, eine Gefahr zu erkennen, aber trotzdem durfte man ihnen die Ware nicht mitgeben. Man konnte nie wissen, vielleicht waren ein paar Undercover-Fahnder schlau genug, nicht im stadteigenen Pontiac aufzukreuzen.
Nein. Man behielt die Kontrolle am besten, wenn man den Stoff und das Geld bei sich trug und von einem Ende des Bereichs zum anderen wanderte. Es wäre nicht klug, eine Warteschlange entstehen zu lassen, dachte Dido und mußte grinsen. Vielleicht sollte er einen Straßenstand eröffnen.
Es war spät, die Nacht schon fast vorüber. Er stand im Schatten unter Louis Bakers Wohnung und sah seinem Kunden – einem College-Schüler – zu, der zurück zu seinem Wagen ging und einstieg. Er hörte die Mädchen auf dem Rücksitz kichern. Das Auto fuhr los, kleine Steine und Asphaltsplitter stoben auf. Lace trat neben ihn.
»Vielleicht machen wir Schluß für heute«, sagte Dido. Seine Stimme klang immer noch ein bißchen krächzend. Er sah auf Bakers Mauer, die wieder weiß übermalt worden war. Wegen dieses Mannes mußte etwas unternommen werden. Es wäre eine gute Nacht gewesen, eine perfekte Nacht, hätte es diesen Kampf nicht gegeben.
Er nahm das Bündel Banknoten aus der Tasche, zog zwei Scheine für Lace heraus und nickte in Richtung der Mauer. »Der Mann meint, er kann mich schlagen, aber wer regiert im Bereich?«
Lace gab keine Antwort.
»Was?« fragte Dido. »Ich habe dich nicht verstanden.«
»Was soll ich denn sagen?«
»Ich habe dich gefragt, wer im Bereich regiert.« Er wartete Laces Antwort nicht ab. »Wenn du denkst, ich hab’s nicht drauf, laß es mich wissen.«
»Du hast es drauf«, entgegnete Lace.
»Du meinst, dieser Bursche macht mir Sorgen?«
Dido hob eine herumliegende schwere Holzlatte auf und ging hinüber zu Bakers neuem Seitenfenster, einem schwarzen, glänzenden Rechteck in der weißen Wand. »Siehst du, wieviel Angst er mir macht?«Das Geräusch berstenden Glases hallte durch den Bereich, und noch ehe das Echo verklungen war, war Dido auf dem Weg zum anderen Ende, um Jumpup zu treffen.
Lace ging neben ihm. Er sah über die Schulter nach Louis Bakers Haus. Er erwartete, daß die Tür sich öffnen und Louis Baker herausstürmen würde.
Ein paar Autos fuhren auf der Straße vorüber, aber die Fahrer wirkten nicht wie Kunden. Niemand hatte angehalten, als sie bei Jumpup ankamen, der wartend auf der Bordsteinkante kauerte.
»Genug für heute«, sagte Dido und gab Jumpup ein paar Geld scheine. Alle drei gingen den Weg zurück, machten eine letzte Runde durch den Bereich, um zu prüfen, ob alles sicher war.
Als sie am ersten Haus vorbeikamen, rief jemand Didos Namen. Sie blieben stehen und starrten in die Dunkelheit. »Ihr geht weiter«, sagte Dido zu den beiden Jungen. Er machte einen oder zwei Schritte auf den Schatten zu, da er annahm, es wäre jemand aus einem benachbarten Bereich, der sie hatte heimgehen sehen und den letzten Stoff kaufen wollte.
Der erste Schuß traf Dido in den Bauch. Lace sah, wie er einen Schritt zurücktaumelte. Dido knurrte und sagte: »Hey!« Der zweite Schuß warf ihn rückwärts zu Boden. Diesmal sagte er nichts mehr.
»Mama. Mama, steh auf.«
Im Vorderzimmer brannte Licht, eine Sechzig-Watt-Birne unter einem gelben Schirm auf dem zerkratzten Tisch bei der Couch, aber jetzt, wo die Rolläden heruntergezogen waren, würde das draußen keine Aufmerksamkeit erregen. Mama war angezogen, aber sie regte sich nicht. Eine Flasche Sherry lag umgekippt auf dem Boden neben der Couch. Die Glassplitter waren auf Mama niedergeprasselt.
Louis Bakers Hand schmerzte, und er sah, daß er sich an einem der Splitter verletzt hatte, als er Mama geschüttelt hatte. Wenn sie sich nicht einmal bewegt hatte, als direkt über ihr die Fensterscheibe zerborsten war, war es nicht sehr wahrscheinlich, daß er sie jetzt wachbekommen würde.
Aber er mußte weg, und sie hatte ein Auto und die Schlüssel dazu. Das Klirren der Scheibe und die Schüsse danach mußten die ganze Siedlung geweckt haben. Baker hörte, wie draußen die Leute schon zusammenströmten, einige von ihnen riefen etwas und versuchten, Dido zu helfen. Aber Dido würde niemand mehr helfen können.
Mama stöhnte und wälzte sich auf der Couch. Er versuchte noch ein letztes Mal, sie wachzurütteln, aber sie schlief fest. »Mama!« Glassplitter fielen von der Rückenlehne der Couch
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