Die Rache
Geräusch von sich. »Da hatte ich einen Moment lang den Gedanken, ich könnte die Sache mit Ingraham bereinigen. Das ist alles. Daher der Anruf.«
»Aber was ist mit Treadwell?«
Medinas Augen verengten sich zu Schlitzen. Er führte die Bierdose zum Mund, hielt inne. »Nichts«, sagte er. »Mit Treadwell war auch nichts.«
»Hector«, sagte Abe, »Sie haben mit Treadwell angefangen, nicht ich.«
Medina drückte die Dose erneut zusammen und betrachtete sie. »Ich habe mir gedacht, es könnte Raines und Valenti etwas nützen, wenn ich mit Treadwell spreche. Die Ingraham-Sache ist Schnee von gestern, daran läßt sich nichts mehr ändern.«
»Also haben Sie mit Treadwell gesprochen?«
»Ja.«
»Über Raines und Valenti?«
Er nickte. »Ich habe versucht, ihm die Sache auszureden. Das mit den Beschuldigungen von wegen Brutalität der Polizei und Schwulenhaß.«
»Und?«
»Und nichts«, erwiderte Medina. »Nichts. Er hörte zu, während ich ihm erklärte, wie es ist, wenn man wegen eines solchen Schwachsinns angeklagt wird, und daß man sich nie wieder davon erholt. Dann hat er gesagt, ich solle abhauen, und das war’s.«
Glitsky sah Melanie nach, die wieder zum Auto ging, beobachtete eine Weile einen Jungen, der auf einem Skateboard vorbeifuhr, und versuchte herauszufinden, was hier nicht stimmte. »Warum hatten Sie dann Angst, Treadwell könnte geplaudert haben? Als ich Sie anrief, sagten Sie: Also hat der Dürre geredet. Erinnern Sie sich? Was hatte das zu bedeuten?«
»Ich weiß nicht. Vermutlich hatte ich einfach Angst, daß er mich wegen irgendwas angezeigt haben könnte – Hausfriedensbruch, was weiß ich. Irgendwas. Es ist sein Stil. Und mit einem wie mir kann man das machen. Die Leute haben sich angewöhnt, jeden Mist über mich zu glauben.«
Glitsky ließ einen Moment verstreichen und trank sein Bier aus. »Aber mit Ingraham war nichts?«
»Ich habe kein Wort mit ihm gesprochen, und bei Gott, das ist die Wahrheit.«
Glitsky stand auf und streckte sich. »Sie wissen Bescheid, Hector«, sagte er. »Sie waren lange genug selbst in diesem Beruf, also wissen Sie Bescheid – man spürt es, wenn die Leute einem nicht alles erzählen … Spürt, daß irgend etwas läuft, auch wenn sie nicht direkt lügen.«
»Ich habe nicht mit ihm gesprochen.«
Melanie sprang wieder neben ihren Vater. Er tätschelte ihr Knie, sie lehnte sich an ihn und sah Glitsky an.
»Das sagten Sie bereits. Trotzdem, nur für den Bericht – erinnern Sie sich, wo Sie Mittwoch nacht – vor drei Tagen – waren?«
Medina mußte nicht überlegen, er wußte es sofort. »Ich habe eine Doppelschicht gemacht. Von acht bis vier und von vier bis Mitternacht, ist alles schriftlich festgehalten.«
Glitsky nickte. »Dessen bin ich sicher.«
Wieder tätschelte Medina seine Tochter, dieses Mal am Kopf. »Als nächstes machen wir die Reifen, Schatz«, sagte er. Sie sprang auf und rannte zum Eimer. »Sehen Sie, ich muß das Kind aufziehen. Das ist alles, was ich tue. Ich führe ein ruhiges Leben, halte mich aus allem heraus.«
»Aber Sie sind zu Treadwell gegangen.«
Medina sah hinauf in den blassen Himmel und leerte seine Bierdose. »Manchmal muß man eben etwas für seine Seele tun.« Er wies auf das heruntergekommene Haus, den armseligen Vorgarten. »Glauben Sie, das hier ist genug?«
Abe sah sich um, nickte und dankte Hector für die Zeit, die er ihm geopfert hatte.
Wieder auf dem Freeway, öffnete Glitsky die Wagenfenster und ließ den Wind durch den Innenraum blasen. Hectors Gerede über die gute Tat für seine Seele stand auf einer Stufe mit der Behauptung des früheren Innenministers Watt, er sei tief besorgt wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Wenn es gut für seine Seele war, mit Treadwell zu sprechen, und er bereit war, dafür das ruhige Leben mit seiner Tochter zu gefährden, wieviel mehr Befriedigung hätte es ihm dann verschaffen müssen, Rusty Ingraham zuzusetzen? Das hätte seiner Seele erst richtig gutgetan.
Natürlich würde in den Dienstplänen stehen, daß er am Mittwoch eine Doppelschicht abgeleistet hätte. Also besaß er zwar ein Alibi, aber Alibis waren dazu da, daß man sie genau prüfte. Sein Name mochte auf dem Plan stehen, doch hatte ihn jemand tatsächlich gesehen? Und selbst wenn jemand das behaupten würde, bestand kein Zweifel daran, daß ein Kerl wie Medina Leute kannte, die bereit waren, alles mögliche zu behaupten oder zu tun, weil sie ihm einen Gefallen schuldeten oder wollten, daß er ihnen
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