Die Rache
Namen ein und bekam einen interessanten Hinweis. Nach Aussage des Computers war Louis Baker, alias Lou Brock, Louis Clark, Lou Rawls – der Kerl hatte tatsächlich Sinn für Humor –, Straßenname Puffer – was immer das bedeuten mochte –, noch im Gefängnis von San Quentin.
Hardy fragte sich, wie veraltet das Wissen des Computers war. Er gab ›Hector Medina‹ ein, aber diesen Namen kannte der Computer nicht. Nun gut, das ergab einen Sinn – Medina war zweimal freigesprochen worden.
Ray Weir jedoch war verfügbar. Vor neun Jahren – schon wieder diese Zahl – war er wegen einer Rauferei während eines Spiels der 49er festgenommen worden. Der Beamte, der ihn verhaftet hatte, war nicht Medina. Einen Hinweis, daß Ingraham damit zu tun gehabt hatte, fand Hardy nicht. Ray hatte Reue gezeigt und war mit einem Bußgeld in Höhe von zweihundert Dollar davongekommen. 1985 war er mit Marihuana geschnappt worden – wieder ein Bußgeld, diesmal hundert Dollar. Ein Urteil wegen eines nicht bezahlten Strafzettels stand noch aus.
Hardy trank seine Cola. Also war auch Ray ein Schläger, oder es zumindest gewesen. Daß er reichlich Marihuana konsumierte, wußte Hardy bereits, vielleicht nahm er auch andere Drogen. Er war impulsiv genug, vor anderen Leuten um seine geliebte, verlorene Frau zu weinen. Wie labil war er? Was, wenn er im Drogenrausch, gereizt und voller Aggressionen, losgezogen war, wie Warren spekuliert hatte, um die Dinge mit Maxime ›zu bereinigen‹? Hoffentlich ließ sich Rays Alibi nachprüfen, dachte Hardy. Er schrieb sich ein paar Angaben vom Bildschirm auf seinen gelben Notizblock.
Rustys Auto – ein blauer VW Jetta, Baujahr 1987 – war tatsächlich am 29. August gestohlen worden. Das war alles, was der Computer über Rusty vorzuweisen hatte. Also hinkten die Dateien nicht mehr als drei Wochen hinterher, was – fand Hardy – doch gar nicht so schlecht war. Er wollte sich gerade die Angaben bezüglich des Autos notieren, als es an der Tür klopfte.
»Mr. Hardy?«
Hardy stand auf.
»Sergeant Moore.«
Sie lachte. Perfekte weiße Zähne und das Gesicht eines Models. »Nennen Sie mich bitte Karen … Tony Feeney winkt, und ich springe. Womit kann ich Ihnen helfen?«
Sie setzte sich wie ein Schulmädchen auf die Tischkante. Sie trug eine Art Uniform, die den blauen der Streifenpolizisten aber in keiner Weise glich. Die Hose war weit geschnitten, eine Lederjacke mit den Sergeantenstreifen bedeckte ihre Bluse. Sie wirkte kräftig, was aber wohl eine absichtliche Täuschung war. Ein genauerer Blick ließ auf einen wohlproportionierten Körper schließen, für den die Kleidung eine Nummer zu klein war. Mit etwas Make-up würde Karen Moore Verkehrsstaus verursachen, doch so – ohne die hohen Wangenknochen, die tiefen, dunklen Augen und den großen, sinnlichen Mund zusätzlich zu betonen – war sie einfach nur hübsch. Sehr hübsch.
»Ich weiß nicht, ob Sie mir helfen können. Ich suche nach etwas, das vor langer Zeit passiert ist.«
»Für Tony? Ist es ein aktueller Fall?«
»Nein, nicht direkt für Tony. Er nannte mir nur Ihren Namen.«
Sie wartete ab.
»Es ist was Persönliches«, sagte Hardy. »Rusty Ingraham.«
Sie war wachsam. »Rusty Ingraham. Ein Ruf aus der Vergangenheit … Wie geht’s ihm?«
»Rusty ist tot, jedenfalls spricht einiges dafür, daß er tot ist.« Er erklärte ihr die Zusammenhänge.
»Tut mir leid, das zu hören«, sagte sie, nachdem er fertig war.
»Wirklich?«
»Rusty und ich, das ist längst vorbei. Wir sind als Freunde auseinander gegangen.«
»Als Tony Feeney von Rustys Tod erfuhr, benahm er sich, als hätte er im Lotto gewonnen.«
Sie nickte. »Das glaube ich. Tony hat Rusty gehaßt. Eine Menge Leute haben Rusty gehaßt. Ich nicht. Mir hat er am Ende nur leid getan.«
»Am Ende?«
»Am Anfang fühlte ich mich sehr zu ihm hingezogen. Kennen Sie ihn?«
Hardy nickte.
»Dann wissen Sie Bescheid. Er war ziemlich charismatisch. Sehr charismatisch. Er verlor nie einen Fall, war der Star der Bühne. Und ich war eine alleinerziehende schwarze Mutter mit einer zehnjährigen Tochter und …«
»Entschuldigung … Wann war das?«
»Vor neun oder zehn Jahren.«
»Sie hatten damals schon eine zehnjährige Tochter?«
Hardy hatte sie für Ende Zwanzig gehalten.
Karen lachte. »Ich bin sechsunddreißig, Mr. Hardy, und Großmutter, aber trotzdem vielen Dank.«
»Wie eine Großmutter sehen Sie nicht aus.«
»Nein, ich weiß. Ich gebe mir Mühe. Ich gebe mich
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