Die Radleys
widersprechen.
»Rowan, also bitte, das ist jetzt wichtig. Ich weiß, es gibt eine Menge, mit dem du fertig werden musst. Aber wir müssen uns jetzt zusammennehmen und Clara helfen, damit sie ihren Anfall verkraftet«, sagt seine Mutter.
»So wie du das sagst, hört es sich an wie Asthma.«
Bei diesem Satz verdreht Peter die Augen. »Helen, sie hat eine Menge Blut gekriegt. Wenn wir jetzt alle so tun, als wäre nichts passiert, ist das ein bisschen viel verlangt.«
»Ja, da hast du recht«, gibt sie zu. »Trotzdem werden wir das tun. Wir werden darüber hinauswachsen. Und das schaffenwir, indem wir weitermachen. Einfach weitermachen. Dad wird zur Arbeit gehen. Am Montag werdet ihr zur Schule gehen. Nur Clara sollte heute vielleicht zu Hause bleiben.«
Clara legt ihre Gabel an die Seite. »Ich gehe mit Eve weg.«
»Clara, ich …«
»Mum, wir sind verabredet. Wenn ich nicht mitkomme, wird das verdächtig aussehen.«
»Also, ja, wir sollten uns vermutlich so normal wie möglich benehmen«, sagt Helen.
Rowan zieht die Augenbrauen hoch und isst seine Eier. Clara scheint sich jedoch aus irgendeinem Grund unwohl zu fühlen. »Warum müssen wir dauernd Radio 4 laufen lassen, wenn doch keiner zuhört? Das nervt. Als ob wir damit beweisen könnten, dass wir bürgerlich sind oder so.«
Rowan sieht diesen Menschen an, der heute anscheinend von seiner Schwester Besitz ergriffen hat. »Clara, halt die Klappe.«
»Halt du die Klappe.«
»O mein Gott. Macht es dir denn überhaupt nichts aus?«
Peter seufzt. »Leute, bitte.«
»Du konntest Harper sowieso nicht ausstehen«, sagt Clara und sieht ihren Bruder an, als wäre er derjenige, der sich ungewöhnlich benimmt.
Rowan greift nach seinem Besteck, um es anschließend gleich wieder hinzulegen. Er ist erschöpft, aber die Wut kocht in ihm hoch. »Ich kann eine Menge Leute nicht leiden. Willst du das ganze Dorf für mich auslöschen? Geht das auf Anfrage? Macht man das so? Weil mich die Frau im Hungry Gannet neulich über den Tisch gezogen hat …«
Helen sieht ihren Ehemann an, der noch einmal versucht, die Gemüter zu besänftigen.
»Leute …«, sagt er und hebt beschwichtigend die Hände. Aber Rowan und Clara haben sich in ihrem Streit verfangen.
»Ich habe mich gewehrt. Wenn du nicht so ein Weichei wärst, würdest du dich viel wohler fühlen.«
»Weichei. Großartig. Vielen Dank, Komtess Clara von Transsilvanien, für den Spruch des Tages.«
»Leck mich.«
»Clara.« Diesmal ist es Helen, und sie verschüttet dabei den Orangensaft, den sie sich gerade eingießen wollte.
Clara streicht sich das Haar aus dem Gesicht und stürmt hinaus. In ihrem ganzen Leben hat sie so etwas noch nie getan.
»Ihr könnt mich mal, alle miteinander.«
Rowan lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und sieht seine Eltern an. »Ist das jetzt der Punkt, an dem sie sich in eine Fledermaus verwandelt?«
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DAS VERLORENE VOLK
Da sind wir also. Im siebten Kreis der H ölle.
Während er auf sein Ziel zusteuert, nimmt Will alle Schilder in sich auf, die die Hauptstraße zu bieten hat. Ein rosa gestrichenes Schuhgeschäft für Kinder mit dem Namen Tinkerbell. Ein müde wirkendes Pub und ein hübsches kleines Delikatessengeschäft. Ein Sexshop? Nein. Kostüme für masochistische Unblutige, die glauben, ein Abend in Afroperücke und Glitzerfähnchen würde den Schmerz ihres Daseins lindern. Und eine Apotheke, für Plan B. Trotz des obligatorischen Kapuzenträgers, der seinen kriecherischen Hund an der Leine führt, hat das Ganze eine erstickende Gemütlichkeit, sieht nach einem Leben aus, das auf leisester Stufe gelebt wird. Er hält an der Ampel, um ein altes Ehepaar über die Straße zu lassen. Langsam heben sie ihre fragilen Hände zum Dank.
Er fährt weiter, an einem einstöckigen Gebäude vorbei. Es steht von der Straße zurückgesetzt und fast verborgen hinter Bäumen, als würde es sich seines relativ modernen Äußeren schämen. Eine Arztpraxis, wie das Schild des National Health Service verrät. Er stellt sich seinen Bruder im Inneren des Hauses vor, Tag für Tag, umgeben von kranken und unbeißbaren Körpern.
Ich führe dich zum wandellosen Leid, denkt er, als ihm dieses Zitat von Dante einfällt. Ich führe dich zum Volke der Verlorenen. Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren.
Und da ist es. Ein kleines schwarz-weißes Schild verschwindet fast hinter dem grünen Laub einiger überwuchernder Sträucher.
Orchard Lane. Will fährt langsamer und biegt links ab,
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