Die Radleys
entnommen wird.
Offensichtlich war Will jedoch am Konvertieren nicht interessiert. Gerüchten zufolge hatte Will zeit seines Lebens sogar nur eine einzige Person konvertiert und konnte sich aus unerfindlichen Gründen nicht dazu überwinden, eswieder zu tun. Allerdings trank er noch normales Vampirblut. Er schüttete das Zeug sogar flaschenweise in sich hinein und saugte nebenbei noch an seiner Gelegenheitsbeziehung Isobel Child.
Inzwischen hatte sich sein Durst jedoch zur Unersättlichkeit gesteigert. Nachts ging er aus und biss irgendwen, der oder die ihm gerade in die Quere kam, egal ob Vampir oder nicht. Ohne seinen geregelten Tageslichtjob konnte er länger schlafen und hatte mehr Energie, um zu tun, was ihm gerade in den Sinn kam, und hinzugehen, wohin er wollte. Um Energie ging es aber nicht. Wills zügelloses Benehmen – zum Beispiel seine Gleichgültigkeit, wenn er mitten im Tötungsakt von einer Kamera erwischt wurde – deuteten viele als manifestes Symptom eines selbstzerstörerischen Geisteszustands.
Wenn ihm irgendwas passieren sollte, sagten die Leute, ist er selber schuld.
Dennoch glaubten die meisten Mitglieder der Sheridan Society trotz des zunehmenden Drucks durch die Polizei, dass er immer noch unter ihrem Schutz stünde, da ihm Isobel Child auch weiterhin gewogen blieb. Schließlich war Isobel in der Vereinigung allgemein beliebt und ihr Bruder kein Geringerer als Otto Child, der die Liste führte.
Auf der Liste standen die Namen aller Unantastbaren – praktizierende, mordlustige Blutsüchtige, die für die Polizei tabu waren, wenn sie nicht das Vertrauen und jegliche Kommunikation mit der Vereinigung und somit der gesamten Vampirgemeinde aufs Spiel setzen wollte.
Eine offizielle Verhandlung oder gar Verurteilung wegen eines Todes, der einem Vampir angelastet wurde, hatte es natürlich nie gegeben. Seit Gründung der Polizeieinheit hatte man diese Fälle zum Wohle der Bevölkerung vertuscht. Maßnahmen hatte man allerdings trotzdem ergriffen.Traditionell wurden solche Maßnahmen von den wenigen Polizeikräften durchgeführt, die über fortgeschrittene Kenntnisse im Armbrustschießen verfügten, also in der Lage waren, Vampire zu vernichten. Sie verschwanden einfach von der Bildfläche. Dieser Null-Toleranz-Ansatz hatte jedoch nur dazu geführt, dass die Konvertierungszahlen rapide in die Höhe schossen und die Polizei befürchten musste, dass es zu einer kostspieligen und sehr öffentlichen Auseinandersetzung kommen könnte.
Also hängte die Polizei eine Karotte an den gezückten Pfeil. Schutz für vereinzelte Vampire, solange sie sich an bestimmte Regeln hielten. Natürlich gab es bei der ganzen Sache ein ethisches Dilemma. Die Zusammenarbeit der Polizei mit der Sheridan Society hatte den Effekt, dass äußerst blutrünstige und berüchtigte Vampire unterstützt wurden, während Abstinenzler und die gemäßigten Blutsauger ungeschützt blieben. Aber die Polizei rechnete sich aus, dass sie Einfluss auf sie ausüben und ihre Aktivitäten etwas eindämmen könnte, wenn sie einigen besonders verkommenen Subjekten Immunität gewährte.
Und das bedeutete, dass ein Mord dann legitimiert wurde, wenn er nicht von einer Kamera aufgezeichnet worden war, nirgendwo eine Leiche auftauchte, das Opfer weder bei den Reportern der diversen Klatschblätter auf Sympathie stieß noch bei der Masse der Steuerzahler zu viele Fragen aufwarf. Prostituierte, Drogensüchtige, Obdachlose, abgewiesene Asylbewerber und manisch Depressive standen ganz oben auf der Speisekarte. Ehefrauen von Polizeibeamten, Speed-Dater und lohnabhängige Kassiererinnen standen nicht drauf.
Dummerweise hatte Will, obwohl er Mitglied der Sheridan Society war, sich nie an diese Regeln gehalten. Er weigerte sich, seine Gelüste auf eine Weise zu befriedigen, die in einen gesellschaftlich akzeptierten oder polizeilichbefürworteten Rahmen passte. Die schlichte und vorsätzliche Nachlässigkeit, mit der er seit Kurzem bei seinen Tötungen vorging, hatte den verstärkten Druck auf die Sheridan Society ausgelöst.
Und dann hatte vor fünfzehn Tagen Assistant Commissioner Alison Glenny von der Greater Manchester Police einen Telefonanruf entgegengenommen, als sie gerade einen neuen Kollegen bei der UPU einarbeitete. Der Anruf kam von einem Mann, der ihr mit seiner ihr vertrauten, kalten, müden Flüsterstimme erklärte, dass Will Radley von der Liste gestrichen war.
»Ich dachte, Sie wären eng mit ihm befreundet«, antwortete Alison aus
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