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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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schärfer auf sie sein.
    »Schmeckt gut«, sagt sie. »Komm, probier mal.«
    Die Leichen am Boden sehen nicht so lecker aus, wie sie das normalerweise tun.
    »Verzichte«, sagt er.
    Einige von Isobels Freunden sehen ihn mit blutverschmierten Gesichtern und kalten Augen prüfend an, sagen aber nichts. Sheridan Blutschlampen . Isobels Bruder Otto ist auch dabei. Otto hat ihn noch nie leiden können oder eigentlich noch keinen Mann, der das Herz seiner Schwester erobert hat, aber heute Nacht glüht der Hass in seinen Augen stärker als je zuvor.
    Will winkt Isobel beiseite, in eine ruhige Ecke, wo sie sich auf ein überdimensionales rotes Kissen setzen. Von allen Frauen, die er kennt, schmeckt sie am zweitbesten. Besser als Rosella. Besser als tausend andere. Und er fragt sich, ob er Helen jemals wieder vergessen kann. Sie wieder verlassen kann, wenn es sein muss.
    »Ich will von dir trinken«, sagt er.
    »Du kannst unten eine Flasche von mir kriegen.«
    »Ja. Weiß ich. Die hole ich mir noch. Aber ich will was Frisches.«
    Seine Bitte scheint sie traurig zu stimmen, als würden sie die Gelüste betrüben, die sie in ihm weckt. Trotzdem offenbart sie ihm ihren Hals, und er nimmt das Angebotan, schließt die Augen und konzentriert sich auf ihren Geschmack.
    »Hat’s Spaß gemacht, gestern Nacht?«
    Will fragt sich kurzfristig, wovon sie redet, und nuckelt weiter.
    »Alison Glenny hat Fragen gestellt. Wegen des Mädchens aus dem Supermarkt.«
    Er erinnert sich an das Gothic-Mädchen mit der roten Strähne im Haar – Julie oder wie sie hieß –, die schrie und ihn an den Haaren zog. Er hört auf, an Isobel zu saugen. »Und?«, sagt er mit einer Geste auf das tote, halb verzehrte Pärchen am anderen Ende des Zimmers.
    »Und dein Camper war auf der Überwachungskamera zu sehen. Als einziges Fahrzeug auf dem Parkplatz.«
    Will seufzt. Wenn man praktiziert, muss man sich an die Spielregeln halten. Man muss sich auf Leute beschränken, deren Verschwinden leicht erklärbar ist – haltet euch an die Lebensmüden, die Obdachlosen, die Illegalen.
    Will hat sich nie an die Spielregeln gehalten. Wie sollte man seine Instinkte ausleben, wenn man, na ja, seine Instinkte eben nicht ausleben darf? Er findet es so gekünstelt, so grundlegend unromantisch , wenn man seine Begierden auf die sicheren Opfer beschränken soll. Andererseits stimmt es, dass er früher sorgfältiger ausgewählt hat, wen er tötete.
    »Die Leute fragen sich, ob du vielleicht ein bisschen nachlässig geworden bist.«
    Isobel hatte es wirklich drauf, einem die Laune zu verderben.
    »Die Leute? Welche Leute?« Er sieht zu ihrem rattenfiesen Bruder Otto hinüber, der ihn über eine der Leichen hinweg anfunkelt.
    »Du meinst, Otto will, dass sie mich von der Liste streichen.«
    »Du musst vorsichtig sein. Das ist alles, was ich sagen will. Du könntest uns alle in Schwierigkeiten bringen.«
    Will zuckt mit den Schultern. »Die Polizei schert sich nicht um Listen, Isobel«, sagt er, wohl wissend, dass es eine Lüge ist. »Wenn sie mich schnappen wollten, würden sie mich kriegen. Denen ist es egal, wer mit wem befreundet ist.«
    Isobel sieht ihn eindringlich an, auf eine Weise, wie sie eher bei moralinsauren Unblutigen üblich ist. »Glaub mir. Glenny passt auf.«
    »Eins muss ich dir sagen, Isobel-Kind, dein Bettgeflüster ist auch nicht mehr das, was es mal war.«
    Sie fährt ihm mit der Hand durchs Haar. »Ich mach mir bloß Sorgen um dich. Das ist alles. Sieht fast so aus, als wolltest du, dass sie dich schnappen.«
    Als sie ihn küsst, erwägt er, sich noch einen Schluck von ihr zu genehmigen.
    »Nur zu«, sagt sie, und jetzt klingt ihre Stimme wieder verführerisch. »Trink, bis ich leergetrunken bin.«
    Aber es ist genauso wie vor fünf Minuten. Er empfindet diesmal nichts.
    »He«, sagt sie sanft und streicht ihm erneut durchs Haar. »Wann fliegen wir nach Paris? Das hast du mir schon vor Ewigkeiten versprochen.«
    Paris.
    Warum musste sie das erwähnen? Er kann an nichts anderes denken als an Helen, wie sie sich auf dem Dach des Musée D’Orsay küssen. »Nein. Nicht nach Paris.«
    »Na, dann eben irgendwo anders hin«, drängt sie, als ob sie mehr wüsste als er. »Komm mit. Wir könnten überall hin. Du und ich. Das wäre lustig. Wir könnten dieses beschissene Land verlassen und irgendwo anders leben.«
    Er steht auf.
    Er hat sich schon die ganze Welt angesehen, in früheren Zeiten. Er hat Wochen am blütenweißen und frostigen Ufer des Baikalsees in

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