Die Radleys
unternehmen.
Braucht ihn.
Er beschließt, die Süße des Augenblicks bis zum letzten Tropfen auszukosten.
»Ich dachte, du wolltest nicht, dass ich mit reinkomme.«
»Will, ich weiß. Ich dachte, wir könnten das alles schaffen, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Peter hatte recht.«
»Du willst also, dass ich da reingehe. Und was genau soll ich da tun?«
Er weiß es, natürlich. Er will bloß, dass sie es ausspricht.
»Mit ihnen reden?«
Er holt tief Luft, entdeckt in der Landluft den Duft ihres Blutes. »Mit ihnen reden? Mithilfe von Blutdenken, wolltest du sagen?«
Helen nickt.
Er kann der Versuchung nicht widerstehen, sie zu reizen. »Ist das nicht ein kleines bisschen unmoralisch? Polizeibeamte mittels Blutdenken zu beeinflussen?«
Helen schließt die Augen. Eine kleine vertikale Falte erscheint mitten auf ihrer Stirn.
Ich will sie wiederhaben, fällt ihm auf. Ich will die Frau wiederhaben, die ich erschaffen habe.
»Ich bitte dich darum, Will«, fleht sie ihn an.
»Okay, schieben wir unsere moralischen Bedenken beiseite. Machen wir uns ans Werk.«
Die beiden Polizisten sehen verwirrt aus, als Will das Zimmer betritt. Aber Peter nickt, lächelt Helen sogar an, erfreut, dass sie sein Schultertippen verstanden hat.
»Das ist mein Onkel«, erklärt Clara.
Helen steht neben Will, wartet, dass er loslegt.
»Wir sind eigentlich gerade dabei, Clara ein paar Fragen zu stellen«, sagt der Beamte und zieht die Augenbrauen in die Höhe, um jenes autoritäre Auftreten zu vermitteln, das er sich von Polizeiserien im Fernsehen abgeguckt hat.
Will lächelt. Blutdenken wird bei den beiden ein Leichtes sein für ihn, sogar um diese Tageszeit. Zwei junge, gefügige Unblutige, durch den Polizeidienst geübt in Unterwürfigkeit. Er wird einen Satz brauchen, vielleicht auch zwei, und seine Worte werden ihre schwachen und sklavischen Gedanken löschen und neu schreiben.
Er startet einen Versuch, nur um Helen zu beweisen, dass er die Magie immer noch beherrscht. Verlangsamt allmählich seine Stimme und lässt sie tiefer klingen, legt hinter jedem Wort eine sorgsame Pause ein, und mit dem simplen Trick, Gesichter zu ignorieren, wendet er sich direkt an das Blut. Und als er nah genug gekommen ist, um den Inhalt ihrer Adern zu riechen, fängt er einfach an.
»Nun, lassen Sie sich durch mich nicht stören«, sagt er . »Stellen Sie Ihre Fragen. Fragen Sie, dann werden Sie erkennen, dass die Seele dieses Mädchen hier vor Ihnen so rein und unschuldig ist wie ein unberührtes Schneefeld u nd dass sie keine Ahnung hat, was Freita gnacht mit diesem Jungen geschehen ist. Weshalb es ganz und gar nicht nötig ist, irgendetwas in dieses kleine Notizbüchlein zu notieren.«
Er geht zu der Polizistin und streckt die Hand aus. Beinahe schuldbewusst reicht sie ihm den Block und sieht mit ausdruckslosem Gesicht zu, wie Will die Seiten herausreißt, die sie beschrieben hat, und ihn ihr anschließend zurückgibt.
»Und alles, was Sie sonst noch gehört haben, war gelogen. Clara weiß nichts. Sehen Sie sie an, sehen Sie sie genau an …« Sie sehen sie an. »… Haben Sie jemals etwas so Reines und Unschuldiges gesehen? Schämen Sie sich nicht, weil Sie auch nur für einen Moment an dieser Unschuld zweifeln konnten?«
Sie nicken mit den Köpfen, wie kleine Kinder vor einem strengen Lehrer. Sie sind zutiefst beschämt. Will beobachtet, wie sich Claras Augen vor Erstaunen weiten.
»Sie werden jetzt gehen. Sie werden jetzt gehen und Sie werden wissen, dass Sie hier nichts zu suchen haben. Der Junge ist versch wunden. Das ist ein weiteres ungelöstes Rätsel in einer Welt voll er ungelöster Rätsel. Jetzt stehen Sie auf und verlassen uns auf dem Weg, den Sie gekommen sind, und in dem Moment, in dem frische Luft Ihre Gesichter streift, werden Sie wissen, was diese We lt so wunderbar macht. Es sind all die ungelösten Rätsel. Und Sie werden nie mehr den Wunsch haben, diese Schönheit zu stören.«
Will bemerkt, dass sogar Peter und Helen beeindruckt sind, als die beiden Polizisten aufstehen und von ganz allein den Raum verlassen.
»Adieu. Und besten Dank für den Besuch.«
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DELIKATESS-SCHINKEN
Clara sitzt in ihrem Zimmer und isst vom
Delikatess-Schinken ihres Bruders, als Eve eintrifft. Clara versucht, ihr Verhalten
von gestern im Top Shop zu erklären. Sie erzählt, sie hätte eine Panikattacke gehabt
und die vielen Leute nicht mehr ausgehalten. Eine Halbwahrheit. Oder eine
Viertelwahrheit. Aber keine
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