Die Radleys
treten würde.
Sie lässt sich neben ihm nieder. Eine Weile sagen beide nichts, und Rowan fragt sich ernsthaft, ob sie hören kann, wie sein Herz klopft.
»Tut mir leid«, sagt sie nach einem langen Schweigen. »Das mit meinem Dad. Er ist einfach …« Sie bricht ab. Rowan bemerkt, dass sie wegen irgendetwas mit sich ringt. Und dann erzählt sie es ihm. »Meine Mutter ist vor ein paar Jahren verschwunden. Bevor wir hierhergezogen sind. Einfach verschwunden. Wir wissen nicht, was mit ihr passiert ist. Wir wissen nicht, ob sie noch lebt oder nicht.«
»Das wusste ich nicht. Tut mir leid.«
»Also, ehrlich gesagt rede ich nicht gern darüber.«
»Nein. Ist bestimmt nicht einfach«, sagt Rowan.
»Das ist der Grund, warum mein Dad so ist. Er ist nie wirklich darüber weggekommen. Weißt du, wir gehen unterschiedlich damit um. Er ist paranoid, und ich bemühe mich, alles lustig zu sehen. Und lasse mich auf Idioten ein.«
Sie sieht Rowan an und merkt, dass es falsch war, in ihm Claras schüchternen und seltsamen Bruder zu sehen. Plötzlich erkennt sie, wie schön es ist, neben ihm auf der Bank zu sitzen. Es ist, als würde er etwas in ihr zum Vorschein bringen. Und sie fühlt sich mehr wie sie selbst als in den vergangenen zwei Jahren.
»Rowan, weißt du, wenn du mir irgendwas sagen willstoder mich irgendwas fragen willst, dann kannst du das einfach tun. Das geht in Ordnung.«
Sie will aus seinem Mund hören, was sie längst weiß, von Clara, aber auch von Rowan selbst, der jedes Mal ihren Namen flüstert, wenn er in der Schule einschläft.
Die Sonne versinkt hinter einer Wolke.
Die Schatten werden tiefer.
Rowan spürt, dass dies die Gelegenheit ist, von der er träumt, seit er Eves Lachen zum ersten Mal im Bus gehört hat, als sie sich vom ersten Tag an immer neben Clara setzte.
»Also, die Sache ist die …« Sein Mund ist trocken. Er denkt an Will. Wie leicht es ihm fällt, er selbst zu sein, und ohne es zu wollen, sehnt sich Rowan danach, wie sein Onkel zu sein, nur für fünf Sekunden, damit er den Satz beenden kann. »Ich … ich … ich finde einfach, dass du … was ich sagen will ist, dass ich … also, ich glaube, du bist einfach ein … ein Mädchen wie du ist mir noch nie begegnet … dir ist es egal, was die Leute von dir halten und … es ist … einfach … wenn du nicht bei mir bist, was du schließlich meistens bist, denke ich dauernd an dich und …«
Sie sieht in eine andere Richtung. Sie denkt, ich bin ein Freak. Aber dann hört und sieht er, was sie bereits gehört und gesehen hat.
Das Auto der Nachbarn. Es hält bei ihnen an. Glänzend und silberfarben wie eine Waffe. Mark Felt lässt die Scheibe herunter.
»O Gott«, sagt Eve.
»Was ist?«
»Nichts. Es ist bloß …«
Mark sieht Rowan misstrauisch an, dann wendet er sich Eve zu. »Toby hat mir erzählt, dass sich dein Vater aus dem Staub machen will. Sag ihm, dass ich ab morgen neueMieter suche, wenn er nicht bezahlt. Die ganze Summe. Die ganzen Siebenhundert.«
Eve wirkt peinlich berührt, obwohl Rowan keine Ahnung hat, worum es geht. »Okay«, sagt sie. »Okay.«
Dann wendet sich Mark an Rowan.
»Wie geht’s deiner Schwester?«
»Es geht ihr … gut.«
Marks Augen ruhen eine Weile auf ihm, als würde er versuchen, etwas in Erfahrung zu bringen.
Sein Fenster gleitet hoch, und er fährt weiter.
Eve hält den Blick gesenkt. »Er ist unser Vermieter.«
»Oh.«
»Und wir haben kein Geld, um die Miete zu bezahlen, weil, na ja, als wir hierhergezogen sind, hat mein Dad keinen Job gefunden. Er hat es ewig lang auch gar nicht erst versucht.«
»Verstehe.«
Eve starrt das Denkmal an und redet weiter. »Und wir haben schon eine Menge Schulden, aus Manchester. Früher war er mal richtig umsichtig, genau wie Mum. Hatte einen guten Job. Polizist. Er war bei der Polizei. Beim CID. Es war ein guter Job.«
»Wirklich?«, sagt Rowan, den die Information beunruhigt. »Was ist passiert?«
»Als meine Mutter verschwand, hatte er einen Nervenzusammenbruch. Ist durchgedreht. Hat sich Theorien ausgedacht, lauter verrücktes Zeug. Jedenfalls hat ihm die Polizei bescheinigt, er sei nicht zurechnungsfähig, und dann kam er zwei Monate ins Krankenhaus, und ich wohnte eine Zeit lang bei meiner Oma. Sie ist aber inzwischen tot. Als er entlassen wurde, war alles anders. Er schluckte dauernd Pillen und trank und verlor seinen Job, war ständig unterwegs und mit weiß der Himmel was beschäftigt.« Sie schnieft undmacht eine Pause. »Ich weiß
Weitere Kostenlose Bücher