Die Radleys
aus den Fünfzigern … riskant … die vorhandene Wand einreißen …«
Als Peter an seinem Drink nippt, hört er überhaupt nichts mehr. Der Geschmack ist ganz anders als der Wein, den er vorher getrunken hat. Ganz exquisit und vollmundig wie das Leben selbst.
Entsetzt reißt er sich das Glas von den Lippen.
Ihm fällt ein, dass Will eine halb volle Flasche auf dem Tresen stehen gelassen hat. Er überlegt, was er zu Mark sagen könnte, um ihm sein Glas wieder abzunehmen. Aber dazu ist es bereits zu spät. Mark hat bereits einen Schluck getrunken und ist so begeistert, dass er den Rest in einem Zug hinunterkippt.
Mark stellt sein leeres Glas ab. Auf seinem Gesicht hatsich ein Ausdruck wilder Begeisterung breitgemacht. »Also, das war ja vorzüglich .«
»Ja, danke, dann will ich mir die Pläne mal ansehen«, sagt Peter und beugt sich über die Rechtecke und Maßangaben auf dem Papier.
Mark ignoriert sein Ansinnen. Er geht zu der Flasche und liest das Etikett. »Rosella 2007? Das ist echt guter Stoff.«
Peter nickt das Nicken eines fundierten Weinkenners. »Aus Spanien. Eine Art Rioja. Kleiner Winzer. Einfache Vermarktung. Wir bestellen ihn online.« Peter deutet auf die Pläne. »Wollen wir?«
Mark wedelt das Thema mit der Hand beiseite. »Das Leben ist zu kurz. Sollte mal was Besonderes mit Lorna unternehmen. Haben wir schon viel zu lange nicht mehr gemacht.«
Sollte mal was Besonderes mit Lorna un ternehmen.
»Gute Idee«, sagt Peter, während die Eifersucht wie Knoblauch in ihm brennt.
Mark versetzt seinem Nachbarn einen Schlag auf den Rücken und stürzt aus der Küche. »Adiós amigo! Hasta luego!«
Peters Blick fällt auf das Papier auf der Theke, das sich wieder zusammenrollt. »Deine Pläne«, sagt er.
Aber Mark ist schon weg.
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WIR SIND MONSTER
Sie sind mit dem Essen fertig, aber Helen räumt die Teller nicht weg, weil sie die Kinder nicht mit Will allein lassen will. Also bleibt sie einfach sitzen, eine Gefangene auf ihrem Stuhl, und ärgert sich, weil er so viel Macht über sie hat.
Natürlich hatte er schon immer so viel Macht über sie. Aber jetzt ist das eine nackte und unübersehbare Tatsache, direkt vor ihren Augen, von ihr selbst noch verstärkt, weil sie ihn doch tatsächlich bat, ihnen mit der Polizei zu helfen, und diese Tatsache vergiftet alles. Sie infiziert das Zimmer, sodass sämtliche Gegenstände – ihr leerer Teller, die Gläser, die Designerlampe, die ihr Peter vor ein paar Jahren zu Weihnachten geschenkt hat –, all diese Gegenstände scheinen plötzlich mit negativer Energie aufgeladen. Wie geheime Waffen in einem unsichtbaren Krieg gegen sie, gegen alle.
»Wir sind Monster«, hört sie ihren Sohn gerade sagen. »Das ist nicht in Ordnung.«
Und dann Will, lächelnd, als ob er auf dieses Stichwort gewartet hätte. Eine Gelegenheit, um noch einmal zum Schlag gegen Helen auszuholen. »Besser, sich zu dem zu bekennen, was man ist, als überhaupt niemand zu sein. Unter einer Lüge so tief begraben zu sein, dass man genauso gut tot sein könnte.«
Nach dieser Verkündigung lehnt er sich auf seinem Stuhl zurück und saugt ihren verächtlichen Blick unbekümmert wie eine Liebeserklärung in sich hinein.
Dann betritt Peter den Raum, der wütend eine leere Flasche durch die Luft schwenkt. »Was ist denn das?«, fragt er seinen Bruder.
Will heuchelt Unverständnis. »Spielen wir Scharade? Ich bin ratlos, Pete. Ist es ein Film? Ein Buch?« Er kratzt sich am Kinn. »Das verlorene Wochenende? First Blood? The Bloodsucker Proxy?«
Helen hat noch nie erlebt, dass sich Peter gegen seinen Bruder zur Wehr setzt, aber jetzt tut er es, und sie betet im Stillen, er möge aufhören. Jedes Wort ist wie das Aufstampfen auf einer Falltür.
»Unser nächster Nachbar – ein äußerst bekannter Anwalt – hat soeben ein volles Glas Blut ausgetrunken. Vampirblut .«
Will bricht in schallendes Gelächter aus. Er scheint nicht im Mindesten bekümmert. »Da sollte der eine oder andere Knoten platzen.«
Clara kichert, während Rowan still dasitzt und daran denkt, wie schön es sich anfühlte, Eves Hand zu halten.
»O Gott«, sagt Helen, als ihr die Bedeutung dessen bewusst wird, was ihr Ehemann gerade gesagt hat.
Wills gute Laune schwindet allmählich. »Was ist schon dabei? Niemand hat ihn gebissen. Er wurde nicht konvertiert. Er wird einfach nach Hause gehen und seine Frau sehr glücklich machen.«
Bei dem Gedanken kocht Peter vor Wut. »Du solltest verschwinden, Will. Die Leute
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