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Die Radleys

Titel: Die Radleys Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Haig
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nicht, warum ich dir das alles erzähle. Ist schon komisch, ich habe noch nie mit jemandem darüber geredet.«
    Rowan fällt auf, dass er alles tun würde, um diesen traurigen Ausdruck aus ihrem Gesicht zu löschen. »Schon gut«, sagt er. »Hilft vielleicht, wenn man darüber redet.«
    Also redet sie, als wäre er gar nicht da, als wäre da etwas, was herausmuss.
    »Wir konnten uns das Haus in Manchester nicht mehr leisten, und das war das Beschissenste daran, weil ich immer dachte, wenn wir dageblieben wären, hätte Mum wenigstens gewusst, wo wir sind, falls sie jemals nach Hause kommen wollte.« Der Gedanke macht sie wütend.
    »Stimmt.«
    »Aber wir sind nicht einmal in der Nähe unseres alten Wohnortes geblieben. Er wollte hierherziehen. In eine winzige Einliegerwohnung. Und noch nicht einmal die können wir uns leisten. Und so wie es aussieht, müssen wir wieder umziehen, weil er nichts zustande kriegt. Und ich will nicht schon wieder umziehen, weil wir uns gerade erst hier eingewöhnt haben, und bei jedem Umzug wird die Vergangenheit noch vergangener. Jedes Mal verlieren wir mehr von Mum.«
    Sie hält inne, wirkt hilflos. Kaum sichtbar schüttelt sie den Kopf, als wundere sie sich über sich selbst. »Tut mir leid. Ich wollte dir keinen Vortrag halten.« Und dann sieht sie auf ihrem Handy nach, wie spät es ist. »Ich geh besser nach Hause, bevor Dad mich hier findet. Er wird bestimmt bald wieder auftauchen.«
    »Wirst du … zurechtkommen? Ich meine, wenn du willst, dann kann ich dich begleiten?«
    »Wahrscheinlich keine gute Idee.«
    »Nein.«
    Sie hält seine Hand, drückt sie sacht zum Abschied. Eine wundervolle Sekunde lang dreht sich die Welt nicht weiter. Er fragt sich, wie Eve reagiert hätte, wenn er es geschafft hätte, das zu sagen, was in seinem Kopf sitzt und an die Nervenstränge drückt.
    »Ist heute richtig still, findest du nicht auch?«
    »Kann schon sein«, sagt Rowan.
    »Kein Vogelgezwitscher oder so.«
    Rowan nickt, wohl wissend, dass er ihr nie erzählen wird, dass er Vogelstimmen nur vom Band kennt oder dass er und Clara einmal eine ganze Stunde mit einem Video von zwitschernden Schilfrohrsängern und Buchfinken verbracht haben, mit Tränen in den Augen.
    »Wir sehen uns in der Schule«, sagt sie nach einer Weile.
    »Ja«, sagt Rowan.
    Als sie geht, schaut Rowan ihr nach und bemerkt erst jetzt, dass seine Haut wahnsinnig juckt. Ihm fällt wieder ein, dass er am Morgen seinen Sonnenblocker vergessen hat.
    Schließlich geht er zum Geldautomaten am Postamt. Er überprüft seinen Kontostand.

    353.28 £
    Ein Jahr lang hat er jeden Samstagnachmittag im Willows Hotel gekellnert und dabei achtundvierzig Hochzeitsempfänge ertragen, die ihm wie Variationen eines immer gleich bleibenden Besäufnisses vorkamen, und mehr als das ist ihm nicht davon geblieben.
    Er hebt so viel ab, wie er kann, und zieht anschließend die Karte seines Sparkontos bei der NatWest Bank heraus. Des Kontos, auf das seine Eltern monatlich einzahlen und an das er eigentlich nicht drangehen darf, bis er mit dem Studium anfängt. Er versucht, sich an die PIN zu erinnern,was ihm irgendwann gelingt, und hebt dann den Restbetrag ab, den er noch braucht.
    Als er zu Hause ankommt, steckt er sämtliche Zwanzig-Pfund-Noten in einen Umschlag und beschriftet ihn mit »Miete für Lowfield Close Nr. 15B«.

[Menü]
    ALS NEUNZEHNHUNDERTDREIUNDACHTZIG JEMAND VOM FAHRRAD FIEL
    Um vier Uhr nachmittags setzen sich die Radleys zum Sonntagsessen an den Tisch. Peter, der das gekochte Lamm auf seinem Teller betrachtet, ist wenig überrascht, dass seine Ehefrau darauf besteht, alles solle so normal wie möglich weiterlaufen. Er weiß, dass Routine für Helen eine Form von Therapie bedeutet. Etwas, womit sie die Risse kitten kann. Aber nach der zitternden Hand zu urteilen, die Bratkartoffeln auf den Tellern verteilt, funktioniert die Therapie nicht.
    Was vielleicht an Will liegt.
    Er redet bereits seit fünf Minuten und sieht nicht so aus, als wolle er irgendwann aufhören, Claras Fragen zu beantworten.
    »… Weißt du, ich für mein Teil brauche das Blutdenken nicht. Ich bin geschützt. Die Polizei kann nichts machen, um mich aufzuhalten. Es gibt da diese Society in Manchester, die Sheridan Society. Eine Vereinigung von praktizierenden Vampiren, die sich um uns kümmert. Ist so was wie eine Gewerkschaft, bloß sind die Repräsentanten sexier.«
    »Wer ist Sheridan?«
    »Niemand. Sheridan Le Fanu. Ein alter Vampirschriftsteller. Schon lange tot.

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