Die Radsport-Mafia und ihre schmutzigen Geschäfte (German Edition)
Rücken; etwas
stimmte dort nicht. Ganz und gar nicht. Ich hatte ja kein Polster da unten.
Am Abend verkrampfte sich der ganze Bereich, als würde eine Zange
zusammengedrückt, immer enger, bis ich keine Luft mehr bekam. Schmerzen
durchzuckten mich an seltsamen Stellen. Ich rief Haven an. Das war keine
normale Sturzverletzung mehr, sondern etwas Ernstes. Kristopher, der
Physiotherapeut des Teams, untersuchte mich. Er redete von Nervenschäden,
möglichen Organverletzungen. Ich schnitt ihm das Wort ab.
»Sag die Wahrheit«, forderte ich ihn auf. »Ist mein Rücken im
Arsch?«
»Dein Rücken ist im Arsch.«
Ich schaffte es durch die nächsten Tage, zum Glück keine schweren
Bergetappen, bis zum Ruhetag in Limoges. Dann kam’s noch schlimmer. Haven rief
mich an: Tugboat lag im Sterben. Wir entschieden uns, dass es das Beste wäre,
ihn jetzt einzuschläfern. Schweren Herzens lud Haven ihn in unseren Audi Kombi
und brachte ihn nach Limoges, damit ich mich von ihm verabschieden konnte.
Inzwischen wollte ich den nächsten BB nehmen, nur zur Sicherheit. Ufe hatte die nächste Transfusion für 13 Uhr im
Hotel Campanile im Norden von Limoges arrangiert – ein gutes Hotel für diesen
Zweck, unauffällig, eine Art Holiday Inn. Wie sich aber herausstellte, konnte
Ufe selbst nicht kommen, also führten die Phonak-Teamärzte die Transfusion
durch, und dabei gab es keine Probleme. Als ich aber danach in meinem
Hotelzimmer auf Haven und Tugs wartete, fühlte ich mich plötzlich scheußlich.
Ich bekam Kopfschmerzen, und meine Stirn glühte.
Ich musste dringend pinkeln. Als ich hinuntersah, erwartete ich die
übliche leichte Verfärbung im Urin durch den BB .
Aber diesmal pinkelte ich Blut. Dunkel, dunkelrot, fast schwarz. Es kam immer
mehr; es füllte die Toilettenschüssel wie in einem Horrorfilm.
Ich fühlte Panik in mir aufsteigen und sagte mir energisch, das sei
sicher nicht so schlimm. Vielleicht waren 15 Prozent der Blutkörperchen in dem
Beutel abgestorben. Dann hatte ich immer noch die restlichen 85 Prozent. Das
reicht doch auch. Ich trank ein Glas Wasser, legte mich aufs Bett und versuchte
zu ruhen.
Das Fieber stieg weiter. Die Kopfschmerzen wurden schlimmer. Dann
musste ich wieder pinkeln. Erst wollte ich nicht hinuntersehen, dann tat ich es
doch. Reines Rot.
Da wusste ich, dass ich ein Problem hatte. Der Beutel war verdorben
gewesen. Irgendwo in Sibirien oder auf dem Weg nach Limoges war er falsch
behandelt worden, vielleicht zu warm geworden oder beschädigt worden; und ich
hatte einen ganzen Beutel abgestorbener roter Blutkörperchen injiziert
bekommen. Ich fühlte mich wie vergiftet. Ich bekam Schüttelfrost, mir wurde
übel. Ich sah wieder vor mir, wie Manzano im Jahr zuvor mit dem
Rettungshubschrauber abtransportiert worden war, als er umgekippt war; er hatte
ins Krankenhaus gemusst und nur knapp überlebt. Meine Kopfschmerzen wurden
schlimmer, bis sich mein Schädel anfühlte, als würde er in Stücke gerissen und
von meinem Gehirn abgeschält. Ich legte das Telefon neben mir aufs Bett, falls ich
den Notarzt rufen musste.
Dann kam Haven; sie sah gleich, dass es mir wirklich schlecht ging.
Ich erzählte ihr, was geschehen war, wenn auch nicht alles – ich wollte
ihr keine Angst machen. Ich log; ich sagte ihr, ich hätte ein wenig Blut
uriniert, fühlte mich aber schon besser. Sie holte mir Aspirin und tat ihr
Bestes, um es mir angenehmer zu machen. Ich schärfte ihr ein, niemandem etwas
davon zu erzählen – weder den Ärzten noch den Teamkameraden oder dem
Sportlichen Leiter. Damals hielt ich das eher für so etwas wie strategisches
Ableugnen – Wenn ich nicht davon spreche, ist es auch nicht
passiert –, aber inzwischen weiß ich, dass ich mich eigentlich schämte.
Mein Rücken war im Arsch. Mein Blut war im Arsch. Die ganze Tour – die
harte Arbeit so vieler Menschen, unsere große Chance – zerrann mir unter den
Händen.
Ich verbrachte die Nacht neben Tugs, mit Fieber und Schüttelfrost,
und verabschiedete mich von ihm.
Man macht immer weiter. Das ist das Schreckliche und
Schöne am Radsport. Man fährt immer weiter. Am nächsten Morgen war ich wieder
am Start und schleppte mich durch eine flache Etappe. Dann kam der erste
Härtetest der Tour, die zehnte Etappe, ein mühsames Auf und Ab durch das
Zentralmassiv, ein großes Mittelgebirge, das mich als Amerikaner an die Appalachen
erinnerte. Ich brannte den ganzen Tag lang Streichhölzer ab, um mit der
Spitzengruppe mitzuhalten. Als wir
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