Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
einzulegen. Aber die Schweigende Welt ist überall, hinter und unter allen Dingen.
Du verstehst noch nicht.
Mit diesen Worten verstummte ihr wa , aber es schien sich ihr wenigstens zu nähern.
Gashansunu betrachtete die Nacht eine Weile, in ihren eigenen Gedanken und durch die Augen der Schweigenden Welt. Obwohl sie sehr viel Zeit darauf verwendete, sich die seltsamen Worte ihres wa durch den Kopf gehen zu lassen, erschlossen sich ihr keine neuen Erkenntnisse.
Paolina
Sie wachte in aller Frühe auf und fühlte sich so ausgeruht wie … nun ja … noch nie. Gashansunu war nirgendwo zu entdecken.
Nachdem sie sich Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, nahm Paolina die Taschenuhr aus ihrem Beutel, zog die Aufzugskrone auf ihre vierte Position heraus und begann, sie langsam zu drehen, um die Spur der Frau aus dem Süden aufzunehmen. Sie waren gemeinsam durch die Schweigende Welt gewandelt. Paolina erkannte sie nun ohne Silberbänder oder merkwürdige Meditationen. Sie würde sich auf Gashansunu ausrichten und der Hexenmeisterin folgen, wohin sie auch gegangen sein mochte.
Es war in etwa so, als ob sie versuchte, in einem weit entfernten Lagerfeuer bei Nacht einen einzelnen Funken zu entdecken. Paolina hatte noch nie probiert, einer Person zu folgen, aber sie hatte bereits gesehen, wie Leben in der Schweigenden Welt aufglühte. Mit der Taschenuhr betrat sie nicht den anderen Ort, wie es Gashansunu getan hatte, sondern sie sah in diese Welt hinein. Die Welt des Lichts befand sich nun hinter einem Schleier, wirkte zugleich aber klarer, der Ozean nahm ein merkwürdiges, glitzerndes Funkeln an, und die Hexenmeisterin erschien nun in ihrem Blickfeld. Sie saß auf der Felsnase, die einer riesigen, langsamen Kreatur ähnelte, deren Gedanken Jahre in Anspruch nahmen.
Paolina konzentrierte ihren Willen auf Gashansunu. Ohne an den Ort der Frau zu denken, schob sie sich nach vorne, schleuderte sich vorwärts, während sie denselben Druck auch in die umgekehrte Richtung ausübte, um den Strand nicht zu zerstören.
Bevor sie ihren Fuß wieder absetzte, befand sie sich auf der Spitze der Felsnase und fiel beinahe auf der anderen Seite herunter. Paolina ließ sich schmerzhaft in eine sitzende Position, bremste mit beiden Füßen und einem Arm, während sie den Schimmer mit dem anderen Arm schützte.
Gashansunu rief ihr in dem Augenblick etwas zu, als sie plötzlich zu rutschen aufhörte. Ein stechender Schmerz jagte durch ihr Steißbein. Unter ihren Zehen gähnte der Abgrund.
»Lehn dich an den Fels zurück«, sagte Gashansunu hinter ihr. Sie schien sich ein ganzes Stück über ihr zu befinden.
»Ich weiß, ich weiß«, flüsterte Paolina. Sie hatte kaum Höhenangst, aber jeder konnte am falschen Ort in der Falle sitzen. Ihre erste Aufgabe war es, den Blick vom Horizont und dem gähnenden Abgrund zu ihren Füßen abzuwenden und ihrem Gleichgewichtsgefühl die Möglichkeit zu geben, sich neu zu orientieren.
Ein Schwindelanfall.
»Ich werde nach dir greifen.« Wieder die Hexenmeisterin.
»Nein, nein, ich muss mich nur einen Augenblick ausruhen.« Paolina schloss ihre Augen. »Abgesehen davon weiß ich viel mehr über Höhen als du. Ich bin auf der Mauer aufgewachsen, und du stammst aus einer Flachlandstadt.«
»Du bist vielleicht auf einem Berggipfel groß geworden, aber im Augenblick befindest du dich auf einem schmalen Felsvorsprung aus bröckligem Gestein hoch über einem Steinstrand«, stellte Gashansunu fest. »Ich glaube nicht, dass du mir heute etwas voraushast.«
»Nur einen Augenblick, bitte. Einen einzigen Augenblick.«
Der unbeholfene Weg zurück auf sicheren Boden war kurz und unangenehm. Paolina zitterte vor Angst und war froh, das Sonnenlicht wiederzusehen.
»Jetzt verstehst du, warum Hexenmeister Menschen nur selten durch die Schweigende Welt folgen, selbst wenn sie sie gut kennen«, sagte Gashansunu.
»Hattest du vor, mich zu prüfen, selbst wenn es mich das Leben kostete?«
»Nein.« Die Frau schien peinlich berührt. »Ich habe stundenlang meditiert und die Zeit darüber vergessen. Ich hatte daran gedacht, mich auf eine Lichtung zu begeben und dort auf dich zu warten, aber ich war davon ausgegangen, dass wir die Notwendigkeiten für ein solches Vorhaben vorher klären würden.«
Es war nun an Paolina, sich zu schämen. »Ich hatte nicht vor, uns beide in Gefahr zu bringen. Ich möchte mich bei dir entschuldigen.«
»Du hast heute etwas gelernt«, meinte Gashansunu.
»Ich habe gelernt, meinen
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