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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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daran zweifelte, dass dies überhaupt möglich war. Die Ausrüstung auf Deck war an Ort und Stelle, aber nicht gepflegt und poliert. Es schien, als ob auf diesem Schiff nicht nur die Menschen, sondern auch die Hoffnung aufgegeben worden wären.
    »Niemand an Bord außer den Jungs von der Instandhaltung«, sagte Penstock, der hinter Kitchens stand. »Hier in der dritten Ankerturmreihe kann sich dem Ding niemand nähern, ohne dass der halbe Flugplatz Bescheid weiß.«
    »Die Besatzung wird einen quälend langsamen Marsch vor sich haben, wie mir scheint«, sagte Kitchens geistesabwesend. Er kletterte auf das Poopdeck, wo sich das Steuer befand.
    Er wusste, dass diese Luftschiffe Relikte waren; ihre Konstruktion war in diesem Teil der Welt schon seit über fünfzig Jahren veraltet. Alles, was heutzutage unter der Marineflagge durch diese Gewässer pflügte, waren Panzerschiffe mit gigantischen Turbinenmotoren und langen, glatten Kanonen, die ein Geschoss bis zum Horizont befördern konnten. Am Himmel, wo es vor allem darauf ankam, das eigene Gewicht so gering wie möglich zu halten, wurde Metall nur bei den Triebwerken verwendet; das Wissen der Vergangenheit wurde dazu eingesetzt, einen leichten, aber dennoch stabilen Rumpf aus verschiedensten Hölzern zu bauen. Das Ergebnis vermittelte den Eindruck, als ob Admiral Nelsons Flotte sich in die Lüfte geschwungen hätte, getragen von langen, wurstförmigen grauen Ballons.
    Er berührte das polierte Messingsteuerruder. Man hatte Ketten durch die Speichen gezogen und es damit fixiert. Die Plattform an der Turmspitze war auf eine Drehscheibe montiert worden, damit sich das Luftschiff zu jedem Zeitpunkt in den Wind drehen konnte. Der Maschinentelegraf und das Kompasshäuschen standen direkt in der Nähe. Der Kapitän befehligte sein Schiff vom offenen Deck, fast wie vor hundert Jahren.
    Nur flogen und starben sie jetzt in der Luft anstatt im Wasser. Kitchens atmete tief durch und sah dann zur Reling. Seine Knie knickten beinahe ein, als er den Boden gefährliche knapp sechzig Meter unter sich sah.
    Wie sollte er es überstehen, in wesentlich größeren Höhen zu fliegen? Diese Luftschiffe stiegen nicht selten über drei Kilometer in die Luft, je nach Wind, Wetter und den Bedingungen ihrer Mission.
    Er kämpfte sich Schritt für Schritt an die Reling. Penstock folgte ihm schweigend und langsam. Kitchens war es egal, was der Mann dachte, aber es war ihm nicht egal, was der Mann in einem Bericht an die Admiralität schreiben könnte.
    Kitchens packte die Reling so fest, dass ihm die Fingernägel ins Fleisch schnitten. Er beugte sich hinüber und erblickte weitere unzählige Reihen von Masten, die ordentlich gemähten Grünflächen unter ihnen und die Hügel in der Ferne, wo die Stadt sich bis an den Rand des Flugplatzes ausgebreitet hatte. An der Reling eines anderen Luftschiffs, das weit von ihm entfernt an einem der Masten vor Anker lag, hatte sich eine kleine Gruppe versammelt und glotzte ihn an.
    Nun , dachte Kitchens, wahrscheinlich hat die Notus mittlerweile den Ruf eines Geisterschiffs.
    Er fragte sich, ob er selbst bald zum Geist eines Sonderbeauftragten werden würde.
    Paolina
    Als sie von der Mauer hinunterstiegen, umschlossen Felsen sie gleich einem Kessel. Der Weg führte in einen verschneiten Bergkrater hinab, in dem sich ein merkwürdiges Gebäude befand, das mehr an einen überdimensionierten Termitenhügel denn an ein beliebiges europäisches Bauwerk erinnerte. Wie seine Erbauer die sich erhebenden Massen abgestützt hatten, war Paolina ein Rätsel. Aus den Augenwinkeln erblickte sie Grasland, dessen gelbbraunen Felder sich vom Fuß des Bergs in Richtung Süden, Osten und Westen weit in die Ferne erstreckten.
    Bald schon war ihr Ausblick auf die weiten Ebenen von zerbröckelndem, verrottendem Fels blockiert. Zu beiden Seiten ihres Weges tauchten nun Banner auf. Riesige Stangen bogen sich unter ihrem eigenen Gewicht; an ihnen waren Bündel aus Tierschwänzen angebracht, verknotete Streifen aus bunten Stoffen oder Gebinde aus gefärbten Seilen, in die besondere Muster geknotet waren.
    Vor dem Termitenpalast wartete ein groß gewachsener dunkelhäutiger Mann auf sie, der in Leinen und ein Fell gehüllt war, das einem gefleckten Tier gehört haben musste. Er trug eine Trommel und schenkte Paolina ein strahlendes Lächeln, bevor er mit großer Begeisterung in einer Sprache Worte an sie richtete, die sie nicht verstand.
    Sie versuchte, Sinn in seinen Worten zu erkennen,

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