Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
das sie alle notwendigen Antriebsmechanismen hineingestopft hatte. Sie wünschte sich, den Schöneren der beiden noch zu besitzen, den der Schweigsame Orden zerstört hatte. Doch dieser Uhrmacher würde den Wert ihrer Arbeit einschätzen können; der groben, vereinfachten Bauweise, die sie auf der Heaven’s Deer hatte wählen müssen, zum Trotz.
Er drehte das klotzige Ding einige Male herum und betrachtete dann das Ziffernblatt. Nach einigen Minuten fragte er: »Darf ich das Gehäuse öffnen?«
»B – bitte.« Paolina war überrascht, wie nervös sie war.
Hethor drehte sich zu einem Arbeitstisch um und wählte ein sehr feines Werkzeug. Mit großer Sorgfalt stemmte er die Taschenuhr auf. Er verbrachte viel Zeit mit der Betrachtung ihres Inneren, ohne irgendetwas zu berühren. Offensichtlich wurde seine Sehkraft durch das schwache Licht in seinem Arbeitszimmer nicht behindert. Schließlich prüfte er die Uhr mit vorsichtigen Berührungen. Endlich sah er sie wieder an.
»Sie haben dies gebaut.« Eine Feststellung, keine Frage.
»Ja.« Paolina hatte seltsamerweise Angst vor dem, was Hethor als Nächstes sagen könnte.
»Können andere dies verwenden?«
»Ja. Meine erste wurde … gestohlen und missbraucht. Der Schweigsame Orden zerstörte einen Stadtteil und tötete dabei viele Menschen.«
»Hm.« Er verschloss das Gehäuse wieder sorgfältig. »Sie haben etwas sehr Wichtiges getan.«
Das war nicht das, was sie zu hören erwartet hatte. Fragen. Zurechtweisungen, mit Sicherheit. Verblüffung vielleicht, sollte dieser junge Mann doch nicht das sein, was er zu sein schien. Aber nicht Lob. »Und das wäre?«
»Ich habe gewisse Fähigkeiten. Sie wurden mir durch Gottes Hand gegeben oder vielleicht erweckt. Die Zeit der Welt lief ab. Gabriel brauchte einen Schlüssel, um sie wieder aufzuziehen. Er wählte mich.«
»Warum?«
»Er hat es mir nie gesagt.« Hethor klang wehmütig. »In diesem Augenblick könnte ich Geselle in Meister Bodeans Uhrmachergeschäft in New Haven sein, wäre mir nicht der Engel erschienen. Stattdessen bin ich hier, mit einem Wissen, das ich unter großem Schmerz erworben habe, und einigen seltsamen Fähigkeiten. Aber … « Er hob einen warnenden Finger. »Ich kann mit Ihnen darüber sprechen, wie die Welt funktioniert, und vielleicht verstünden Sie mich sogar. Aber was ich nicht kann, ist, Ihnen auch nur ein Gramm meiner Fähigkeiten verleihen. Das wäre dasselbe, als ob ich Ihnen meine Augenfarbe oder den Klang meiner Stimme zu geben versuchte. Es geht nicht.
Sie hingegen haben einen Mechanismus erschaffen, der seine Kraft aus den verborgenen Mechanismen der Welt zieht, um vergleichbare Kräfte zu erschaffen. Ähnlich wie ein Uhrmacher eine Uhr einem Mann verkaufen kann, der sonst die Zeit nicht selbst bestimmen könnte, können Sie das hier bauen, es jemand anderem geben und dann ein Neues bauen. Meine Fähigkeiten werden auf ewig auf mich beschränkt sein, aber Sie können ihre Fähigkeiten so oft reproduzieren, wie Sie sich die Zeit und Mühe machen.«
»Das ist die Sicherheit, nach der ich strebe«, sagte sie ernst. »Schutz vor den Männern, die mich von diesen Dingen mehr herstellen lassen wollen; die mich dazu zwingen wollen, ihnen beizubringen, wie man sie baut, damit jeder Mensch über die Macht eines Hexenmeisters verfügen kann.«
»Ich habe den einen oder anderen Hexenmeister kennengelernt«, sagte Hethor. »Ihre Macht erlangen sie erst im Lauf vieler Jahre. Sie sind die einzige junge Hexenmeisterin, die ich je getroffen haben.«
»Ich bin keine Hexenmeisterin!«
Er drehte die Taschenuhr in seinen Händen. »Damit sind Sie es.« Hethor überreichte Paolina das Werk ihrer Hände. »Die Menschen hier würden es als Schimmer bezeichnen.«
»Der Begriff ist mir bekannt«, sagte sie und war froh, das beachtliche Gewicht der Taschenuhr wieder in ihren Händen zu spüren. »Man sagte mir, dass ein anderer Schimmer vor zwei Jahren hier vorbeigezogen ist. Waren Sie das, als sie in die Südliche Hemisphäre gekommen sind?«
»Vielleicht. Aber selbst wenn ich ein Schimmer bin, dann bin ich ein Schimmer wie die sieben Großen Reliquien Christi. Ich bin ein greifbarer Gegenstand und nicht reproduzierbar. Im Lauf der Geschichte ist jeder Schimmer einzigartig gewesen. Ähnlich wie der Unterschied zwischen einem Teppich, den Kinderhände gewoben haben, gegenüber einem billigen Überwurf, den ein mechanischer Webstuhl ausgespuckt hat. Sie haben eine Möglichkeit gefunden, das Wunder
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