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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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schützte seine Augen mit einer Hand vor der Sonne und suchte nach dem Ursprung des aufjaulenden Propellers.
    Was er sah, machte ihn sehr nachdenklich.
    Zwei chinesische Luftschiffe, deren Tragkörper und Rumpf unverkennbar waren, kamen langsam auf ihn zu. Sie suchten nach etwas.
    Sie fuhren bei einem Abstand von gut drei Kilometern regelmäßig scharfe Kurven. Die Luftschiffe taten das nicht direkt an der Mauer, was vermutlich bedeutete, dass sie nicht nach Ottweills Tunnel suchten.
    Allerdings würden sie ihn recht bald entdecken, denn der aufsteigende Staub vom Tunnelvortrieb würde ihn verraten. Entweder das oder die Anlegestelle, die aus der Luft klar zu erkennen war und die eindeutig nicht von den Krausköpfen errichten worden sein konnte.
    Al-Wazir setzte sein kleines Segel, tauchte das Paddel in die langsame Strömung und ließ die Anlegestelle hinter sich. Es ergab keinen Sinn, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem er in der Nähe der Parsifal oder der Anlegestelle bliebe.
    Der Fluss führte ihn in die wartende Umarmung des Meers, das gemächlich und finster am Schnittpunkt von Afrika und dem niedrigsten, herabgebrochenen Fuß der Mauer seine Wellen schlug. Al-Wazir ließ sich durch den küstennahen Wind auf das offene Meer treiben, bevor er zu paddeln begann. Das Fluss verhielt sich nicht besser als eine schwimmende Tür, aber er hatte genügend Zeit. Er würde in Richtung Nordwesten segeln, bis ihn ein Schiff auf Südkurs aufsammelte oder er den gesamten Weg nach England zurückgelegt hatte.
    Al-Wazir suchte bei Abenddämmerung nach einer Bucht. Er hoffte, eine Insel zu entdecken, auf der ein trockenes Stück Land durchgängig oberhalb des Meeresspiegels lag. Die Mondumlaufschiene schillerte am Himmel und wurde vom goldenen Feuer des Sonnenuntergangs angestrahlt. Aber das Meer nahm bereits einen dunkelvioletten Ton an, und er konnte die ersten Sterne am Abendhimmel erkennen. Die Windrichtung wechselte auch, was in den Tropen bei Anbruch der Dunkelheit immer geschah.
    Al-Wazir hatte kein Interesse daran, sich in der Finsternis auf offenem Wasser zu bewegen. Nicht in diesem kleinen, schwankenden Ding, das er sich da zusammengezimmert hatte.
    Plötzlich explodierte etwas im Wasser neben ihm. Al-Wazir verkniff sich einen Fluch und sah nach oben. Einige hundert Meter über ihm schwebte eins der chinesischen Luftschiffe. Funken sprühten, als Granaten von oben herabgeworfen wurden.
    Er schnappte sich den Karabiner, den er am Mast festgemacht und in die breiten Blätter einer fleischigen Pflanze gewickelt hatte, die er am Fluss entdeckt hatte. Er hatte die Waffe mit dem Fett eines Bärenmakis eingerieben, in der Hoffnung, sie vor der salzigen Luft zu schützen. Es verstrichen kostbare Sekunden, während er an den rutschigen Knoten zerrte. Das Floß begann, von der Brandung emporgehoben zu werden, jetzt, wo der Wind landwärts blies.
    Er löste die Knoten in dem Augenblick, als eine Granate sein Floß traf. Al-Wazir spürte etwas Rotes, Zischendes; dann folgte ein unglaublicher Krach, der ihn sowohl betäubte als auch durchnässte. Er versuchte, den Abzug zu betätigen, doch er konnte nur auf Luftblasen zielen, während sich sein Mund mit Salz füllte und das Wasser laut dröhnte – wie die Schritte seines wütenden Vaters, der in der Nacht betrunken nach Hause zurückkehrte.
    Mit dem Tageslicht kamen mehr als nur düstere Träume einer eiskalten Hölle. Oder vielleicht hatte das Ende des Traums das Tageslicht hervorgebracht. Ihm war immer noch kalt, außer an den Stellen, die wie Feuer brannten.
    Etwas berührte ihn. Al-Wazir versuchte es wegzuschieben, aber sein Arm prickelte und ließ sich kaum bewegen. Er bemerkte, dass sich die Berührung kühl und stark anfühlte. Er wurde auf die Seite gedreht.
    Die Übelkeit kam überraschend. Meereswasser, Galle und Blut schossen durch seine Nase, seinen Mund, hinauf bis in seinen Kopf. Der widerwärtige Ausfluss schien sein Leben eher zu gefährden als die Stunden, die er in den Armen des Ozeans verbracht hatte.
    Ein harter Schlag prallte auf seinen Rücken und ließ unter stechenden Schmerzen eine Rippe brechen. Al-Wazir erbrach Sand und Schlamm, und dann mehr blutiges, brennendes Wasser, bevor er die Augen schloss und eine Weile keuchend dalag.
    »Ich habe frisches Wasser, sobald du dazu bereit bist«, sagte eine vertraute Stimme.
    Ameisen, dachte al-Wazir, Ameisen krabbeln über meinen Körper. Er versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein gequältes

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