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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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gab. Obwohl der Ingenieur pausenlos weiterbrüllte, allen außer natürlich sich selbst Dummheit und Sturheit vorwarf, schaffte er es tatsächlich, dass dabei etwas Sinnvolles herauskam. Es war ein verblüffender Anblick.
    Der Bootsmann hatte eine andere Theorie entwickelt, nämlich dass Ottweill sich perfekt unter Kontrolle hatte, und dieses Verhalten nur aus dem Grund an den Tag legte, weil er damit die Umstehenden dazu zwingen konnte, ihm zuzustimmen.
    Egal, um was es sich nun handelte, er entschied sich belustigt zu sein. Al-Wazir musste lachen. Das brachte ihm nicht nur einen nervösen Blick von Kitchens ein, sondern auch ein seltenes Lächeln, und nach und nach starrten ihn auch die anderen Anwesenden an. Selbst der vor Zorn geifernde Ottweill sah ihn schließlich erstaunt, aber schweigend an.
    »Aber bitte«, sagte al-Wazir, »bitte reden Sie weiter.«
    »Halten Sie mich für unterhaltsam , Sie großer roter Dschungelaffe?«
    »Durchaus, Sir.« Al-Wazir verkniff sich eine weitere Bemerkung.
    »Nun.« Ottweill verschränkte die Arme vor dem ausgerollten Schaubild des Dampfbohrers. »Ich bin erfreut, dass sich sowohl meine Ausbildung als auch meine Qualifikationen und Erfahrungen der Regierung Ihrer Kaiserlichen Majestät als nützlich erweisen.«
    Kitchens rutschte bei dieser Aussage unruhig hin und her, aber al-Wazir stand einfach auf. Als sich die beiden gegenüberstanden, reichte Ottweill ihm an den zweiten Knopf seiner Uniform heran. Der kleine Kerl verlor eine Menge seiner physischen Präsenz, als er vor dem großen Bootsmann stand. »Das ist der Fall«, sagte al-Wazir. Er knurrte dabei, wie er es üblicherweise tat, wenn er einem neuen Kameraden begegnete, der seine ganz eigene Vorstellung von Deckdisziplin hatte. »Ich bin hier, um Ihnen dabei zu helfen.« Dann fügte er bewusst genüsslich hinzu: »Sir.«
    »Wer ist dieser Kerl?«, fragte Ottweill in die Runde. »Entlassen Sie ihn sofort, oder es gibt keinen Tunnel.« Er verschränkte die Arme demonstrativ und starrte ihn wütend und zugleich triumphierend an.
    Kitchens räusperte sich. »Bootsmann Threadgill Angus al-Wazir ist mit der Aufgabe betraut worden, Ihr Leben auf der Mauer zu beschützen, Herr Professor Doktor Ottweill, und das Leben hunderter Anderer ebenso, die, ähm, von geringerer Bedeutung sind. Er ist hier auf unmittelbare Anordnung Ihrer Kaiserlichen Majestät.« Kitchens ließ das kurz sacken und fügte schließlich hinzu: »Sir.«
    Ottweill schluckte schwer und durchbohrte al-Wazir mit seinen Augen. »Ich verstehe«, sagte er. »Ihre Aufgabe ist es, die anderen Affen zu züchtigen. Ich werde dank meines Intellekts überleben, wie ich bisher alles überstanden habe. Sie werden überleben, weil Sie ein brutalerer Wilder sind als diese Affen und die Schwarzen. Nun gut. Nehmen Sie wieder Platz.«
    Zu seiner eigenen Überraschung setzte sich al-Wazir hin.
    Später fuhren sie in Kutschen zu dem Dampfbohrer hinunter. Ottweill bat al-Wazir, mit ihm in einem kleinen Vehikel mit Selbstantrieb zu fahren, das wie ein Sulky aussah, aber Platz für zwei bot. Abgesehen von kurzen Aufenthalten auf der Toilette war das die erste Gelegenheit, seitdem er die Admiralität verlassen hatte, bei der Kitchens ihn nicht begleitete.
    Der Sulky klapperte durch die Stadt im Steinbruch. Al-Wazir nutzte die Chance, sich die Umgebung genauer anzusehen. Die Stadt selbst war unscheinbar – billige Gebäude, die hastig für die Dauer weniger Jahre gebaut worden waren und sich danach zu einem schrecklichen Slum entwickeln würden.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Baugrube vor ihnen. In gewisser Hinsicht ähnelte der Steinbruch der Mauer, denn der Fels ragte vor ihnen in den Himmel empor. Allerdings war die Strecke verdammt kurz. Wenn er die Mauer nie gesehen hätte, dann wären ihm die Wände der Steinbruchs vielleicht hoch erschienen, vor allem an dem tiefer gelegenen Ende, wo der Dampfbohrer zum Einsatz kam. Außerdem waren diese Wände an vielen Stellen zerbrochen, denn Explosionen, Dampfbagger und Spitzhacken hatten ihnen schwer zugesetzt. Die Bruchstücke schaffte man nach London, wo sie für Fundamente oder als Bausteine Verwendung finden würden.
    Die Steinbruchsohle erhob sich hinter ihm und bildete mit dem Ende, das Richtung Südosten zeigte, eine Rampe. Die Steinbrucharbeiter hatten dort ursprünglich angefangen und sich in ihrem Rücken einen Ausgang freigehalten. Der Dampfbohrer musste denselben Weg genommen haben, wenn die schweren Gleise auch

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