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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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erreichen und sowohl Vorräte als auch Arbeiter anliefern konnte.
    Natürlich. Ottweill konnte wohl kaum vorhaben, das riesige Monstrum andauernd in einem Tunnel vor- und zurückfahren zu lassen, der sich auf gut hundertfünfzig Kilometer Länge durch die Basis der Mauer erstreckte.
    »Zwei von denen sind auf dem Weg zur Mauer?«, fragte er.
    »Ja«, murmelte Kitchens.
    »Falls es zu Ausfällen kommen sollte.« Ottweill schien vor aufgestauter Energie fast zu vibrieren. »Wir werden nicht an der Ausrüstung scheitern.«
    »Da unten ist es ziemlich heiß«, stellte al-Wazir fest. »Die meisten Sachen verrotten verdammt schnell.«
    »Nicht, wenn wir erst mal in der Mauer sind.«
    Im Tunnel kreischte etwas. Al-Wazir verstand, dass es sich um eine Pfeife handeln musste, deren Echo von der Grabung bis hierher hallte. Der Boden zu ihren Füßen begann zu zittern, als der Dampfbohrer sich rückwärts durch den Tunnel bewegte.
    Das Heck war zuerst zu sehen. Es war eine Wand aus schwarzem Eisen, eine massive, senkrechte Platte, die so langsam aus dem Tunnel hervorkam, dass man glauben konnte, ein Gebäude bewegte sich langsam auf den Beobachter zu. Einen ähnlichen Eindruck erhielt man, wenn man neben einem stahlgepanzerten Dreadnought stand, der sich gerade vom Dock entfernte. Das hintere Ende des Bohrers war eine fast senkrechte Fläche, in deren Mitte eine große Luke neben mehreren kleinen zu sehen war. Für die Kohle, dachte er, und die kleineren Öffnungen für Wasser, Schmiermittel und wahrscheinlich einen zweiten Brennstoff wie schweres Heizöl. Unter den Luken befand sich ein klaffendes Loch, in dem eine Reihe von Ketten oder Bändern zu erkennen waren, die sich langsam drehten. Auf der Oberseite befand sich eine Glaskuppel, von der aus ein Ingenieur oder Maschinist den Überblick behalten konnte, wenn das Monstrum sich rückwärts bewegte.
    Sobald der Dampfbohrer das Tageslicht des Steinbruchs erreichte, schien er auf menschliche Maße zu schrumpfen. Er war natürlich immer noch mindestens doppelt so groß wie die größte Lokomotive, die al-Wazir jemals gesehen hatte. Das Gehäuse war zylinderförmig und gepanzert, um es vor herabfallendem Gestein zu schützen. Laufstege zogen sich an den Flanken und der Oberseite entlang. Die beachtliche Masse dieses Dings lagerte auf riesigen, vierachsigen Lastkraftwagen, die man in Werften dazu verwendete, fertiggestellte Rümpfe zu Wasser zu lassen.
    Das runde Gebilde erstreckte sich auf etwa fünfzehn Meter Länge, bevor das Fahrerhaus in Sicht kam. Ein metallenes Band zog sich um den gesamten Bohrer, in dem sich Sichtöffnungen aus massivem Glas befanden. Eine kleine Luke führte auf den Laufsteg hinaus – al-Wazir hätte seine liebe Not damit gehabt, seinen Körper dort hindurchzuquetschen. Vielleicht ließen sie wirklich Jungen dieses Ding fahren.
    Er konnte Ottweills Vorschlag nachvollziehen, die Leute einschweißen zu lassen: Es stand wirklich nur wenig Platz zur Verfügung, und es würde einer Bohrermannschaft sehr schwerfallen, sich aus der Maschine herauszuquälen, wenn sie sich gerade im Bohrvorgang befand. Was al-Wazir wiederum veranlasste, sich zu fragen, wie der Vortrieb des Tunnels in der Mauer funktionieren sollte.
    Vor dem Fahrerhaus war schwarze Panzerung angeflanscht worden, die sich wie eine Schaufel in Fahrtrichtung erhob. Sie war offensichtlich dazu da, den vom Bohrkopf nach hinten geworfenen Schutt abzufangen. Die Pfeife ertönte erneut; in unmittelbarer Nähe war sie so laut, dass der Bootsmann sich die Ohren zuhalten musste, während der wirklich aktive Teil des Bohrers zum Vorschein kam.
    In dreißig Jahren Dienst hatte al-Wazir, der die Luftwege Ihrer Kaiserlichen Majestät in- und auswendig kannte, noch nie solche Klingen gesehen. Die drei Bohrköpfe liefen an einem Punkt zusammen und hatten die Form einer ungeöffneten Tulpenblüte. Sie wurden jeweils durch mehrfache Streben verstärkt, und in ihrer Mitte befand sich ein großer, mit einem Gewinde versehener Schaft, der sich drehte und sie damit wie die Klingen eines zur Seite gedrehten Mähers antrieb. Jeder Bohrkopf bewegte sich so langsam, dass al-Wazir die hell glitzernden Schneiden auf ihm deutlich erkennen konnte, die von der Größe seines Schädels bis zu der seiner Hände variierten.
    Der Bohrkopf knurrte böse, wie ein wildes Tier, das sich durch das Herz der Welt fressen wollte.
    Al-Wazir hatte mit der Größe falsch gelegen. Als die Arbeiter auf dem Dampfbohrer ausschwärmten, bemerkte

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