Die Räder des Lebens
immer, aber es lag etwas Flehendes in seinem Blick. »Wir sind nicht mehr in Ophir. Ich bin der Obrigkeit immer noch treu ergeben, aber meine Loyalität ist aufgrund der Art, wie ich behandelt wurde, auf eine ernste Probe gestellt worden. Du machst es mir mit jedem Augenblick schwerer.«
»Das mag sein, aber ich bin der Meinung, dass du sie selbst auf die Probe gestellt hast, als du mich hier hinuntergetragen hast.«
»Ich …« Er wirkte nachdenklich. »Die Obrigkeit hat mich unterbrochen. Du hast mich ein zweites Mal zurückkehren lassen. Ich nutzte die Gelegenheit, dich in die Freiheit zu tragen. Du befindest dich jetzt wesentlich näher an deinem Ziel. Wir bewahren das Gleichgewicht.«
Sie ließ das auf sich wirken, auch wenn sie sich immer noch unbehaglich fühlte. »Wenn dem so ist, wo sind dann die Engländer?«
»Da hinten.« Boas nickte in Richtung eines Trampelpfads, der in Richtung Osten durch den Dschungel führte und sich entlang des Mauerfußes hinzog.
Nicht weit von ihnen entfernt erstreckte sich eine Küstenlinie mit geringem Tiefgang Richtung Norden. Paolina war sich im Klaren, dass dies die letzten Ausläufer des Atlantischen Ozeans sein mussten. »Afrika.«
»Ja. So nennen sie es.«
Sie war bereit, sich den Marschkolonnen anzuschließen. »Ich will zu ihnen gehen.«
Er erschauderte. »Ein unbrauchbarer Vorschlag. Hier sammelt sich eine Armee unter einem Siegel. Jeder hat Vorräte mitgebracht. Weitere werden ihnen folgen, mit noch mehr Materialien.«
»Man kann über diese schmale Treppe doch keine ganze Armee herunterschicken«, widersprach sie ihm.
»Mit der Zeit wäre es möglich. Es gibt noch andere Wege, die von Ophir aus nach unten führen. Es werden noch größere Dinge hinabgebracht, keine Angst. Das ist nur ein geringer Teil der Kriegsanstrengungen.«
»Was das betrifft, so will ich nie wieder von dir derart durch die Gegend geschleppt werden. Nicht ohne meine Erlaubnis.«
In diesem Augenblick hätte sein ausdrucksloser Blick einer Statue alle Ehre gemacht. »Du bist doch hier, oder nicht? Wo du hinwolltest?«
»Ja«, gab sie widerwillig zu.
»Dann akzeptiere das Schicksal, das dich hierhergebracht hat. Wären wir in unserer eigenen Geschwindigkeit diesen Weg hinabgekommen, dann hätte man uns entdeckt und sich unserer schnellstens entledigt. Jetzt, wo wir uns nicht mehr an der Mauer befinden, können wir nach Sonnenuntergang Richtung Osten gehen.«
»Und damit die gesiegelte Armee umgehen …« Sie warf erneut einen Blick über die Felsen.
»Sie werden weitergehen, Messing und Fleisch, bis ihnen die Füße abfallen.«
»Wer kann sie von dem Siegel befreien?«
»Jemand, der das Wort dieses Siegels kennt.«
Paolina dachte darüber kurz nach. »Kennst du die Worte für irgendeines der Siegel, Boas?«
»Einige ja«, gab er zu. »Aber es ist schon schlimm genug, dass ich mich von Ophir abgewandt habe. Ich werde nicht auch noch unsere Armeen verraten.«
Sie sah auf die Menschen hinab, die zwischen den Bäumen umhergingen. »Das ist keine Armee. Das sind Sklaven der salomonischen Siegel. Das ist nicht die Zauberkraft deiner Vorfahren, Boas. Hier werden die Bewohner deiner Stadt wie Tiere misshandelt.«
Er schwieg eine Zeit lang. »Du weißt nicht, was es bedeutet, Messing zu sein. Du weißt nicht, was ertragen wurde, seitdem der älteste Messing diesen Ort erreichte. Beurteile nicht, was du nicht verstehen kannst.«
»Ich werde dies beurteilen.« In ihr stieg Zorn auf. »In jeder dieser Kreaturen da unten, ob nun aus Fleisch oder Metall, steckt eine besondere Kraft. Eine Seele. Das ist das Siegel göttlicher Zauberkraft, das uns zu dem macht, was wir sind. Deine Stadt hat ihnen die Würde genommen, ihre eigenen Herrn und Meister zu sein, und nun sind sie nicht viel mehr als Insekten. Das kann König Salomon nicht gewollt haben, und in den Augen Gottes kann dies nicht als heilig gelten. Es ist nicht rechtens, auch nicht in den Augen der Menschen.«
»Seit wann interessieren dich die Schicksale anderer? Du hast die halbe atlantische Mauer hinter dich gebracht, um diesen Punkt zu erreichen. Wie viele Hilfsbedürftige hast du dabei links liegen gelassen?«
»Wie viele habe ich versklavt? « Paolina wendete sich von ihm ab. Da sie in diesem Moment nichts anderes zu tun hatten, holte sie den Schimmer hervor. Sie tat so, als ob sie Boas ignorierte, und konzentrierte sich stattdessen auf die Taschenuhr und deren vier merkwürdige Zeiger.
Sie fragte sich, was sie tun müsste, um
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