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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einzige Haus, das ich nicht ertragen konnte, war das der Pettishanks. Betsy Pettishanks war eine schreckliche Klavierschülerin. Sie brach jedes Mal in Tränen aus, wenn sie im zweiten Takt der Mondscheinsonate danebengriff und Tante Carmen sie immer wieder von vorn anfangen ließ. Betsy sollte an einem Klavierwettbewerb für Schüler teilnehmen und ihre Mutter wollte, dass sie den Preis gewann. Mrs Pettishanks, in ihrem eleganten Kleid mit seidenüberzogenen Knöpfen und Leinenkragen, schwebte immer gerade dann ins Zimmer, wenn Betsy spielte. Sie tat so, als würde sie Blumenvasen oder Obstschalen neu arrangieren. Ermutigend summte Mrs Pettishanks die Mondscheinsonate, als könnte das Betsy über die Problemstellen hinweghelfen. Immer wenn Betsy im zweiten Takt danebengriff, zuckte Mrs Pettishanks ein bisschen zusammen, als habe sie Zahnschmerzen. Tante Carmen sagte, nach ihrer privaten Meinung müsse Betsy zurück zum Yankee Doodle, bevor sie zur Mondscheinsonate aufsteigen könne.Tante Carmens privater Meinung nach war Betsys Chance, einen Preis zu gewinnen, gleich null, aber gegenüber Mrs Pettishanks äußerte sie nichts dergleichen.
    Als sie mich zum ersten Mal gesehen hatte, hatte Mrs Pettishanks, die Frau des Eisenbahndiebs, Tante Carmen einen Stapel abgelegter Kleider ihres Sohnes Cyril für mich geschenkt. »Das ist so viel persönlicher, als sie dem Wohltätigkeitsbasar der Kirche zu geben!«, hatte Mrs Pettishanks zu Tante Carmen gesagt.
    Ich war ein Knirps. Wenn ich mich so schwer wie möglich machte, brachte ich beim Arzt kaum fünfzig Pfund auf die Waage. Tante Carmen nähte den Bund von Cyrils Hosen enger und schlug Ärmel und Hosenbeine um. Eines Tages würde ich hineinwachsen. »Bis dahin können wir uns den Weg zu Roebuck sparen, um neue Kleider für dich zu kaufen, und das kommt unserem Haushaltsbudget zugute, junger Mann.« Es war zutiefst beschämend, vor Cyril Pettishanks in seinen eigenen abgetragenen Kleidern zu erscheinen.
    Cyril Pettishanks war in der fünften Klasse, genau wie ich, aber ich hatte ihn vorher noch niegesehen, weil er auf eine Privatschule, die River Heighths Academy, ging statt in die öffentliche Schule. Cyrils Vater wollte, dass sein Sohn eines Tages Mitglied des Debattierklubs der Harvard University wurde. Um sich darauf vorzubereiten, musste Cyril die großen Reden großer Männer auswendig lernen. Laut Willa Sue verlangte Mr Pettishanks eine kräftige Dosis Kipling, die, wie er sagte, »Geist und Seele reinige«.
    Cyril war ein hübscher Junge, wenn auch immer ein bisschen verschwitzt. Er hatte dichte schwarze Wimpern und ein rotwangiges Gesicht. Er war so blasiert wie ein Labradorhund. Cyril trug eine rot und blau gestreifte Krawatte, denn das war die Uniform der River Heights Academy, aber die Krawatte war schlecht gebunden und sein Hemd hing ihm aus seiner kurzen grauen Hose.
    Zum Rezitieren des Kipling-Gedichts lehnte sich Cyril nach vorn, gegen die Rückenlehne eines Ohrensessels, und schaukelte damit vor und zurück. Er holte tief Luft, warf eine Locke seines welligen schwarzen Haars aus der Stirn und blickte nach oben, als wollte er das Gedicht direkt vom Himmel herunterholen. »›Wenn du deinen Kopf festhältst /wo alle andern ihren verlieren / und dir dabei die Schuld in die Schuhe schieben …‹«
    » Kühlen Kopf bewahrst, nicht festhältst «, korrigierte Tante Carmen. »Und, Cyril, es heißt zuschieben , nicht in die Schuhe schieben .«
    »›Wenn du dir selbst vertrauen kannst, wenn, wenn …‹«, stotterte er.
    »Die Worte stehen nicht an der Decke, Cyril«, sagte Tante Carmen. »Schau deine Zuhörer an. Gestikuliere ausdrucksvoll mit einer Hand, wie Kipling selbst es getan haben könnte. Stelle dir Kipling mit seinem Tropenhelm mitten im indischen Dschungel vor, wie er zu den eingeborenen Punjabs spricht! Und, Cyril, lass die Schultern nicht hängen. Du würdest Mr Kipling nicht mit hängenden Schultern ertappen. Beginne noch einmal, bitte.«
    Mit einem Ohr horchte ich auf Cyrils Kampf mit den Worten, während ich mit den Matheaufgaben kämpfte. Staubkörnchen tanzten im Nachmittagslicht. Irgendwo im Haus waren meine Eisenbahnzüge. Ich wollte sie sehen. Wo mochten sie sein? Wahrscheinlich in Cyrils Zimmer, wo immer das war. Ich wünschte mir so sehr, meine Züge zu sehen, dass es wehtat, also murmelte ich: »Entschuldigtmich«, und ließ meine Hausaufgaben auf dem Esstisch zurück. Ich schlenderte den Flur entlang, als ginge ich aufs Klo. Die

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