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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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wieder aufwärts ging. Nachdem sie alle Klingelknöpfe gedrückt hatten, öffnete ihnen ein Mann die Tür. Pascoe zeigte seinen Ausweis, und sie traten ein. Einen Fahrstuhl gab es nicht, und die steile Treppe ließ ihn wehmütig an den Paternoster zurückdenken. An Johnsons Tür drückte er die Klingel und hörte sie drinnen widerhallen. Dann versuchte er es mit Klopfen. Die Tür machte einen soliden Eindruck,wahrscheinlich würde sie nicht einmal der Schulter eines jungen Mannes so ohne weiteres nachgeben.
    Der ältliche Hausbewohner, der sie eingelassen hatte, stand immer noch weiter unten an der Treppe und sah neugierig herauf, als Pascoe ihm die Frage zurief, wie er die Hausverwaltung erreichen könne. Es war eine bekannte Firma, deren Büro nur etwa eine Meile entfernt war. Er wählte die Nummer auf seinem Handy. Eine junge Frau meldete sich, die nicht gerade hilfsbereit wirkte. Er empfahl ihr, schon mal einen Zimmermann und einen Schlosser zu rufen, die den Schaden beheben konnten, wenn man die Tür mit einem Vorschlaghammer öffnete. Kurze Zeit später war er mit dem Geschäftsführer verbunden, der versprach, in zehn Minuten dazusein.
    Er schaffte es in fünf.
    Pascoe nahm ihm den Schlüssel ab und drehte ihn im Schloß um. Dann öffnete er die Tür einen Spalt, sog die Luft ein und schloß sie wieder.
    »Ich gehe jetzt rein«, sagte er. »Bowler, Sie sorgen dafür, daß alle anderen draußen bleiben.«
    »Ja, Sir.«
    Er öffnete die Tür nur so weit, daß er hindurchschlüpfen konnte, und zog sie hinter sich wieder zu.
    Hier war der Tod, das hatte er gleich gespürt, als er zum ersten Mal die Tür geöffnet hatte. Die warme Luft, die ihm entgegenschlug, brachte einen Geruch mit, der zwar noch nicht unerträglich stechend, aber doch eindeutig war – zumindest für Peter Pascoe, der so häufig mit Leichen zu tun hatte.
    Wenn der Geruch nicht gewesen wäre, hätte er vielleicht geglaubt, daß Sam Johnson einfach nur schlief. In einem alten Ohrensessel, die Füße ausgestreckt zum Gitter eines Kamins, der im hochviktorianischen Stil gekachelt war, saß er da wie ein Gelehrter, ein wenig benommen vom Whisky aus der Flasche neben sich und eingelullt von den Versen des Gedichtbands auf seinem Schoß.
    Pascoe blieb stehen und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Der erste Eindruck war immer wichtig. Im offenen Kamin stand als eigentliche Wärmequelle ein moderner Gasofen. Die Goldbronzeuhr auf dem Kaminsims war um zwölf stehengeblieben. Neben der Uhr lag etwas, was Pascoe einen unangenehmen Augenblick lang für Kot hielt, bis es sich bei näherem Hinsehen als geschmolzene Schokolade erwies.
    Auf dem länglichen Tisch neben dem Sessel befanden sich außer der Whiskyflasche und dem leeren Glas noch eine French-Press-Kanne und eine Tasse. Auf der anderen Seite des Kamins standen ein kleines Sofa, dessen kaputtes Bein mit einem dicken Wälzer »repariert« war, und ein weiterer Couchtisch mit einem leeren Glas.
    Pascoe wandte seine Aufmerksamkeit der Leiche zu und bestätigte durch Abtasten, was er schon wußte.
    Kein Hinweis auf die Todesursache. Vielleicht würde sich ja herausstellen, daß es einfach ein Herzinfarkt gewesen war. Pascoe warf einen Blick in das offene Buch, ohne es zu berühren.
    Es war bei einem Gedicht aufgeschlagen, das »Der Traumhändler« hieß. Er las die erste Strophe.
    Gäb’s Träume im Angebot,
    Sag mir deine Wahl?
    Der Preis ist der Tod
    Oder ein Seufzer in milderer Qual,
    Der weht wie in wildem Tanz
    Ein Rosenblatt bloß aus lebendigem Kranz.
    Gäb’s Träume im Angebot,
    Manche schön, manche schal,
    Und der Händler verlangt’ dein Gebot,
    Sag mir deine Wahl?
    Träume im Angebot. Pascoes Augen brannten. Polizisten weinen nicht, sagte er sich. Sie erfüllen ihre Pflicht.
    So vorsichtig, wie er sich vorgetastet hatte, zog er sich wieder zur Tür zurück. Draußen im Treppenhaus war es laut geworden. Roote erhob ärgerlich die Stimme, Bowler redete erst beruhigend, dann streng auf ihn ein. Am besten setzte er erst einmal die Maschinerie in Gang, bevor er draußen für Ordnung sorgte. Er zog sein Handy heraus.
    Pascoe hatte seine präzisen Instruktionen etwa zur Hälfte erteilt, als der Streit draußen plötzlich in Geschrei ausartete, die Tür aufflog, ihn im Rücken traf und ins Zimmer schleuderte.
    »Sam! Sam!« schrie Franny Roote. »Oh, mein Gott, Sam!«
    Er stürmte herein und hätte sich auf die Leiche geworfen, hätte Pascoe ihn nicht am Bein gepackt. Hat Bowler folgte im

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