Die rätselhaften Worte
vorwurfsvoll, und was er sagte, klang eher gebieterisch als ärgerlich.
Er war auf dem Sprung ins Kunst-, Kultur- und Bibliothekszentrum gewesen, als sein Handy klingelte, und die Stimme, die er hörte, ließ ihn erstarren.
»Roote? Wo, zum Teufel, haben Sie diese Nummer her?«
»Das weiß ich nicht mehr genau, Chief Inspector. Tut mir leid, daß ich Sie belästige, aber ich wußte nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte. Ich meine, ich hätte es beim Notruf versuchen können, aber bis ich es denen erklärt hätte, vor allem, weil ich nicht genau weiß, was ich überhaupt sagen soll … aber ich dachte, Sie wissen bestimmt, was zu tun ist.«
Er klang aufgeregt, was gar nicht seine Art war. Solange Pascoe ihn kannte, hatte er selbst in schwierigen Situationen immer völlig beherrscht gewirkt.
»Wovon reden Sie?«
»Es geht um Sam. Dr. Johnson. Ich bin gestern nach der Beerdigung zu seinem Büro an der Uni gegangen, um ein Buch abzuholen, das er mir leihen wollte, aber er war nicht da. Ich dachte, er hätte es einfach vergessen. Später hab’ ich’s noch mal versucht, aber immer noch kein Lebenszeichen. Also habe ich gestern abend bei ihm zu Hause angerufen, aber es ging niemand ran. Gerade war ich in meiner Frühstückspause wieder oben vor seinem Zimmer, und es war immer noch abgeschlossen, und ein paar Studenten waren da, die auf ein Seminar warteten. Sie sagten, er hat gestern auch schon eine Vorlesung ausfallen lassen. Da habe ich wieder in seiner Wohnung angerufen, aber es meldete sich niemand. Also wurde ich langsam unruhig und habe mir gedacht, daß Sie als sein Freund am besten wüßten, was jetzt zu tun ist.«
»Wo sind Sie jetzt?« fragte Pascoe.
»An der Uni. Bei den Anglisten.«
Pascoes Gedanken überschlugen sich. Er wußte, daß es albern war, aber wenn er mit Roote zu tun hatte, fühlte er sich immer verunsichert.
In diesem Augenblick sah er Bowler.
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich komme«, befahl er und winkte dem Constable.
Hat eilte herbei und wiederholte bei sich noch einmal seine Erklärung dafür, daß er sich hatte erwischen lassen, wie er sich auf dem Balkon des Hal’s einen gemütlichen Vormittag gemacht hatte, als gäbe es sonst nichts zu tun.
»Haben Sie Ihren Wagen hier?« fragte Pascoe.
»Ja, in der Tiefgarage.«
»Gut. Sie können mich mitnehmen. Ich bin zu Fuß von der Dienststelle hergekommen.«
»Soll ich Sie dahin zurückbringen?«
»Nein. Zur Uni. Das würde mir ein bißchen Zeit sparen.«
Es war eine schwache Ausrede, aber er hatte keine Lust, zu erklären, daß er zu einem von Roote anberaumten Treffen lieber mit einem Zeugen erschien.
Den Weg zur Tiefgarage legten sie schweigend zurück.
»O Gott«, sagte Pascoe, »den MG hatte ich ganz vergessen.«
Bowlers zweisitziger Oldtimer stand zwischen einem Discovery und einem Jeep. Er sah aus wie ein Whippet zwischen zwei Bernhardinern.
»Da sind Sie hin und weg, Sir?« meinte Bowler stolz.
»Hin und weg würde ich nicht sagen, eher auf und davon«, gab Pascoe sarkastisch zurück und zwängte sich mit sportlicher Leichtigkeit (so hoffte er jedenfalls) auf den Beifahrersitz. »Den Superintendenten haben Sie vermutlich eher selten mitgenommen?«
»Nein, Sir. So gut bin ich nicht versichert«, lachte Bowler. »Fahren wir aus einem besonderen Grund zur Uni?«
Pascoe erklärte die Sachlage und spielte Johnsons Verschwinden herunter, was natürlich zur Folge hatte, daß Bowler sich noch mehr wunderte.
»Warum dann die Eile, Sir? Wahrscheinlich hat sich dieser Johnson einfach ein langes Wochenende gegönnt. Ich meine, als ich noch Student war, schien es manchmal leichter, an Madonna ranzukommen als an den eigenen Tutor. Sind Sie in Alarmbereitschaft, weil ausgerechnet Roote angerufen hat?«
Klugscheißer, dachte Pascoe. Genau wie ich früher.
»Was hatten Sie eigentlich in der Galerie verloren?«
Die Form der Frage hätte Bowler vielleicht zu denken gegeben, wenn ihn ihr Inhalt nicht so beunruhigt hätte.
»Ich habe Kaffee getrunken, Sir.« Hat fiel ein, daß er eigentlich keine Ahnung hatte, ab welchem Zeitpunkt ihn Pascoe beobachtet hatte, und so fügte er hinzu: »Genauer gesagt, habe ich mit Miss Pomona Kaffee getrunken. Ich wollte ihr eine Frage stellen, und sie schlug vor, daß wir uns außerhalb der Bibliothek treffen sollten.«
»Ach.« Pascoe lächelte. »Diskretion ist in diesem Fall der schönere Teil von
l’amour
?«
Dafür reichte sein Französisch, und so schüttelte er energisch den
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