Die rätselhaften Worte
Wochenende fit für unsere Expedition bist?«
»Kein Problem«, meinte sie und streckte sich so geschmeidig, daß zwischen T-Shirt und Jeans ihr sanft gerundeter Bauch zum Vorschein kam, was wieder Großalarm entlang seiner Arterien auslöste. »Ich fühle mich von Sekunde zu Sekunde besser. Mit wem hast du in der Bibliothek gesprochen? Mit Dick?«
»Ja.« Falls sie ihm eine leichte Abkühlung verpassen wollte, war ihr dies durch die Erwähnung von Dee gelungen. »Da wir gerade von Dee reden, hast du schon mal von einem Doktor desselben Namens gehört?«
»Nein. Es sei denn, du meinst den elisabethanischen Astrologen und Geisterbeschwörer.«
»Ja, der muß es sein«, sagte er. Dieser Witzbold Pascoe, hahaha.
»Ist das die neueste Theorie: Der Wordman ist ein Magier und Dick ein Nachfahre des alten Doktors?«
»Du mußt jedenfalls zugeben, daß er ein bißchen seltsam ist«, meinte er, fügte aber, um seine Kritik zu mildern, rasch hinzu: »Wahrscheinlich, weil er so viel Zeit mit Penn verbringt. Als ich in der Bibliothek war, saßen sie im Büro und spielten dieses komische Brettspiel. Paronomania.«
Er beobachtete sie genau, um festzustellen, ob er das Wort richtig behalten hatte.
Rye lachte. »Du hörst also doch zu!«
»Kommt drauf an, wer spricht. Du hast gesagt, das Wort bedeute eigentlich ein zwanghaftes Interesse an Wortspielen?«
»Stimmt. Es ist eine Zusammensetzung aus Paronomasie – das heißt Wortspiel – und Manie. Vielleicht schwingt dabei auch paronoid mit. Warum schaust du mich so an?«
»Ist dir klar, daß du gerade mehr oder weniger wiederholt hast, was ich über den Wordman gesagt habe?«
»Ach, komm«, erwiderte sie gereizt. »Was eure langweiligen Experten sagen, meinst du? Die beiden spielen dieses Spiel, seit ich in der Bibliothek arbeite. Es ist kein verborgenes Laster. Ich hab’ mal danach gefragt, und Dick hat mir umstandslos den Namen erklärt. Er hat mir sogar die Regeln kopiert. Ich müßte sie noch irgendwo haben.«
Sie begann, in einer Schublade zu kramen.
»Die beiden Spielbretter, die ich gesehen habe, wirkten handgemalt und waren verschieden«, bemerkte Hat. »Ist es ein richtiges Spiel? Oder haben die beiden es sich selbst ausgedacht?«
»Was macht das schon für einen Unterschied?« Sie lächelte ihn an. »Ich weiß, daß es in der Schule beim Scrabble-Spielen angefangen hat …«
»In der Schule?« unterbrach er sie. »Dee war auch auf dem Unthank?«
»Ja. Ist das ein Problem?«
»Natürlich nicht.« Aber es konnte eine Lösung sein. »Scrabble, sagst du?«
»Stimmt. Anscheinend gab es Streit um ein lateinisches Wort, das einer von ihnen benutzt hat, und das führte zu einer Version, bei der nur Latein erlaubt war. Die Sache entwickelte sich weiter, sie wollten etwas noch Komplizierteres mit einem größeren Brett, mehr Buchstaben, anderen Regeln, und die Spieler durften abwechselnd die Sprache wählen … Ah, da ist es ja – nein, lies es nicht jetzt durch, du kannst es behalten. Ist sowieso an der Zeit, daß ich einen Teil von diesem Zeug aussortiere.«
Hat faltete die Blätter zusammen und steckte sie in seine Brieftasche.
»Kein Wunder, daß ich kein Wort von dem verstanden habe, was ich da gesehen habe«, gab er zu. Wider Willen war er beeindruckt. »Wie viele Sprachen sprechen die eigentlich?«
»Französisch, Deutsch – das beherrscht Penn natürlich fließend –, ein bißchen Spanisch, Italienisch, das übliche. Aber es spielt keine Rolle. Sie brauchen die Sprache, in der sie spielen, nicht zu können, solange ein entsprechendes Wörterbuch in der Bibliothek steht. Das ist offenbar ein Teil des Vergnügens. Wie beim Poker. Einer legt ein Wort, das vielleicht slowakisch sein könnte, dann ist der andere an der Reihe und darf Protest einlegen. Nun stellt sich die Frage, ist es ein Bluff, oder hat er am Tag zuvor ein bißchen Slowakisch gepaukt und versucht nun, einen Protest zu provozieren? Dann wird das Wörterbuch gezückt, und wenn das Wort falsch ist, verliert man fünfzig Punkte, und der andere ist dran. Dasselbe gilt für einen erfolglosen Protest.«
»Arme Irre«, brummte Hat.
»Warum sagst du das?« Sie musterte ihn neugierig. »Sie sind schließlich beide erwachsen, und sie spielen es für sich. Sie versuchen nicht, bei irgend jemandem Eindruck zu schinden.«
»Bei dir ist ihnen das aber anscheinend gelungen. Hast du es selbst schon versucht?«
»Ich hätte nichts dagegen gehabt, aber ich wurde nie gefragt«, erwiderte sie.
Weitere Kostenlose Bücher