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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sie los und erstand antiquarisch ein Exemplar des Romans. Pascoe hatte es damit versucht, aber nach ein paar Kapiteln aufgegeben. Also mußte er sich mit der psychologischen Exegese seiner Frau zufriedengeben.
    All das schwirrte ihm nun im Kopf herum. Hinzu kam die unerwartete Enthüllung der Bedeutung der zweiten Initiale, die der Dicke in seiner Gegenwart noch nie benutzt hatte. Denn Urquhart sagte: »Kenn’ ich nicht, Hamish. Worum geht’s denn da?«
    »Um den Ausbruch des Vesuvs, der die römische Stadt zerstört hat.«
    »Paßt ja zu dem Gefasel über Lava, das später noch kommt. Und das Zitat aus
Julius Cäsar
könnte darauf hindeuten, daß es einen Tyrannen zu beseitigen gilt …«
    »Halt«, warf Pascoe ein. »Das waren nicht die Worte des Wordman, sie stammen aus dem Gespräch zwischen Follows und Bird.«
    »Deren Worte uns aber vom Wordman überliefert wurden«, antwortete Urquhart. »Und es
könnte
darauf hindeuten, habe ich gesagt. Ich versuche nur, ein paar Ideen in den Raum zu stellen. Weiter. ›Zwischenschritt‹ und ›Lava‹ hatten wir bereits. Ach hier, der Absatz, wo die beiden ins Wasser steigen. Da lese ich ein wenig Erregung heraus. Keine moralische Entrüstung, darin stimme ich mit Pottle überein, aber ich glaube, der Wordman empfindet vielleicht doch einen ganz kleinen Kitzel. ›Wie ein gemäst’ter deutscher Eber …‹«
    Er blickte erwartungsvoll auf Dalziel, der aber nur meinte: »Nö, mein Junge. Jetzt hab’ ich dir genug geholfen. Du bist doch hier der Schlaumeier.«
    »Wieder Shakespeare.
Cymbeline.
Posthumus malt sich aus, wie seine Frau Imogen es mit ihrem angeblichen Liebhaber Iachimo treibt.«
    »Wie ein gemäst’ter deutscher Eber, was?« freute sich Dalziel. »Nicht schlecht. Was machst du jetzt daraus, Schulmeisterlein?«
    Urquhart grinste nur. »Ich pfeif drauf. Weiter geht’s. Der Absatz, der mit ›Wie ein Chirurg‹ beginnt – bitte achten Sie auf das Wortspiel mit
Hand
und
Fuß
. Dieser Irre lebt wirklich in einer Welt, in der Worte mehr Beziehungen zueinander haben als Menschen. ›Pirschende Wühlmaus‹ ist ein bißchen komisch …«
    »Evelyn Waugh«, sagte Pascoe.
    »Ach,
die
«, warf Dalziel ein.
    »Leichtfüßig durchs glucksende Fenn schweift die pirschende Wühlmaus. Aus
Der Knüller
«, sagte Pascoe.
    »Hat das was zu bedeuten?« wunderte sich Urquhart.
    »Das ist als Parodie gemeint. Und natürlich soll es auch komisch sein. Paßt zu dem, was Sie über den Wordman gesagt haben: Er hat es mehr mit Worten als mit Menschen. Aber hat er nicht trotzdem in den ersten beiden Dialogen ein wenig echte Zuneigung für Mr. Ainstable und den jungen Pitman gezeigt?«
    Sie dachten alle eine Weile nach, bis Novello schließlich meinte: »Vielleicht ist der Unterschied der, daß er sie nicht kannte. Nicht persönlich jedenfalls.«
    Das war ihr erster Beitrag. Sie sieht wirklich nicht gut aus, dachte Pascoe, der entschlossen war, sie sofort nach der Besprechung nach Hause zu schicken.
    Hat Bowler nahm die Blässe seiner Kollegin mit weniger Mitgefühl zur Kenntnis. Was will sie hier überhaupt? fragte er sich. Schließlich war dieser Fall seine große Chance, sich einen festen Platz im Team der Heiligen Dreifaltigkeit zu sichern. Da war er nicht gerade begeistert darüber, daß sich eine alte Favoritin zurückmeldete.
    Aber alte Favoritinnen schießt man nicht ab. Zumindest nicht vor Publikum.
    So sagte er munter: »Stimmt. Er scheint irgendwie zufällig damit angefangen zu haben. Aber außer den ersten beiden stehen alle anderen in Beziehung zueinander – entweder über die Untersuchung des Falles oder über die Bibliothek. Falls er die anderen gekannt hat, hatte er ja vielleicht Gründe, warum ihm nicht besonders viel an ihnen lag?«
    »Oder Gründe, warum ihn seine Bekanntschaft mit ihnen nicht hinderte, sie zu töten. Wortspiele, Witze und Zitate sind wirkungsvolle Distanzierungshilfen«, warf Pottle ein.
    Dalziel gab ein Geräusch von sich wie ein altes eisernes Pier, das vom Meer unterspült wird. Dann fragte er sehnsuchtsvoll: »Sind wir fertig?«
    »Noch nicht ganz. Das Beste kommt noch«, erwiderte Urquhart. »Der letzte Abschnitt in Prosa. Da müßtest du doch was zu sagen können, Pozzo.«
    »Dieses Gefühl von Frieden, meinst du? Sein Glaube, daß er unverwundbar, unbesiegbar ist? Ich hielt es nicht für nötig, auf etwas so Offensichtliches hinzuweisen. Wie ich schon bei früherer Gelegenheit gesagt habe, seine Überzeugung, er könne uns alles über

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