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Die Rättin

Die Rättin

Titel: Die Rättin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Du übertreibst.
Sei wieder heil, Rättin, ich bitte dich!
Da hörte ich sie leise lachen, nun wieder die Witterhaare im Bild: Du dummer alter Paps. Hast du noch immer nicht bemerkt, daß wir dir bleiben, immer wieder nachgeboren erhalten bleiben, daß uns euer humanes Ich und dessen Sterblichkeit unbekannt ist, weil unser Ich sich aus ungezählten Rattenleben bildet und so den Tod aufhebt? Fürchte dich nicht. Wir gehen dir nicht verloren. Nie wirst du ohne uns sein. Wir hängen an dir, denn schließlich bist du es gewesen, der nützlich wurde, als eine Fehlerquelle vonnöten war, mit deren Hilfe der Große Knall ausgelöst und die posthumane Zeit eingeläutet werden sollte...
    Da stimmt doch was nicht.
Weiß nicht was, die Richtung womöglich. Irgendwas, aber was, falsch gemacht, doch wann und wo falsch,
zumal alles läuft wie am Schnürchen, wenn auch in eine Richtung,
die mit Schildern als falsch ausgewiesen ist.
    Jetzt suchen wir die Fehlerquelle.
Wir suchen sie außer uns wie verrückt, bis plötzlich jemand wir sagt,
wir alle könnten, mal angenommen zum Spaß, die Fehlerquelle oder du oder du
könntest sie sein.
Wir meinen das nicht persönlich.
    Jeder gibt jedem den Vortritt.
Während wie geschmiert alles
in falsche Richtung läuft,
von der gesagt wird,
es gebe, auch wenn sie falsch sei,
die eine nur, begrüßen die Menschen sich mit dem Ruf: Ich bin die Fehlerquelle, du auch?
    Selten sind wir so einig gewesen. Niemand sucht mehr, wo was und wann falsch gemacht worden ist.
Auch wird nicht nach Schuld gefragt oder Schuldigen.
    Wissen wir doch, daß jeder von uns. Zufrieden wie nie zuvor laufen alle in falsche Richtung den Schildern nach und hoffen, daß sie falsch sind
und wir gerettet nochmal.
    Im kosmischen Lehnstuhl angeschnallt wurde ich steif vor Schreck. Hör auf, Rättin! Mach keine Witze. Ich soll, ich habe, einzig ich bin?
Dumm-, taub-, totstellen rief ich mir zu und stellte mich dumm, taub und tot.
Jetzt erst begriff ich: Das paßt ihr in den Kram. Setzt mich in eine Raumkapsel und macht mich zur Fehlerquelle. Hübsch ausgetüftelt hat sie sich das, denn tauglich wäre ich schon: ein technischer Idiot, der, in diesem Gehäuse fehl am Platze, ein Risiko ist. Unfähig, einen simplen Taschenrechner zu bedienen und fern jeder Ahnung, was diese oder jene Mikroprozessoren alles wissen, können und ausführen, sitze ich hier als Fehlerquelle goldrichtig; denn sie behauptet, ich hätte dumm und fahrlässig mit Tasten und Knöpfchen gespielt. Als einer im Weltraum herumpfuschenden Null wäre es mir aus Langeweile und weil der Sonntag nicht aufhören wollte, plötzlich eingefallen, die niedlichen Siliziumchips zu irritieren; schlimmer noch: Über Video-Transfer hätte ich Bildmaterial aus Science-fiction-Filmen und zwar Sequenzen aus Endzeitschnulzen in den realen Output gegeben, dabei das Störsignal übersehen, so daß mein Katastrophenprogramm Fremdobjekte im Zielanflug schließlich den Erdterminal zuerst der westlichen, dann der östlichen Schutzmacht gespeist habe; die hätten natürlich beide nicht lange gefackelt.
So konnte der Große Knall, sagte die Rättin, auch ohne Zutun der Ratten ausgelöst werden. Es sei mir gelungen, mit traumhaft spielerischer Sicherheit und bildscharf jene zielstrebigen Fremdobjekte einzufüttern und den Zeitcode, der anfangs rappelte, wieder zu harmonisieren.
Ich bin die Fehlerquelle! Ausgerechnet mir soll es gelungen sein, spielerisch Schluß zu machen. Nein! schrie ich. Das kommt nicht auf meine Kappe. Du solltest es wissen, Rättin, daß, ich kaum Glühbirnen auswechseln kann und Autofahren auch nicht. Das war immer so, schon als Pimpf, später als Luftwaffenhelfer bei unserer Achtkommaacht, wo ich als K sechs mit dem Folgezeiger nie den Richtzeiger einholte, weshalb ich noch heute diese und andere Unfähigkeiten träume. Ich als Orbit-Observer! Ich als Space-Turner. Ich, ohne Ahnung, was Chips und Klips sind. Ich, der das Kosmonautengequatsche nur aus Filmen kennt. Ich, der vorhin noch verzweifelt versuchte, aufzuhalten, was sich vollzieht, indem ich nach unten Aufhören! Falscher Alarm! rief.
Vergeblich natürlich. Ich kann das ja nicht. Bin zu dumm dafür. Erde! rief ich. Antworten Erde! Aber es kam nur Piepen. Stille danach. Eigengeräusch.
Ich will jetzt aufwachen, sagte ich mir im Traum. Ich will nicht als Fehlerquelle geträumt werden. Gleich nach dem Aufwachen, will ich, vorm Teetrinken noch, nach der Zeitung greifen. Das wollen wir doch mal sehen, was die zu

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