Die Räuberbraut
nicht mehr benötigten Notenblatts findet sie, was sie gefürchtet hat. Z. A.-Hotel, Anschi. 140g.
Z für Zorro, den maskierten Rächer. Z für Zero, die Stunde Null. Z für Zunder. Wie süß, denkt sie; er läßt den Zettel einfach so rumliegen, damit jeder ihn finden kann, er ist nicht mal schlau genug, ihn die Toilette hinunterzuspülen. Was nicht so süß ist, ist die Tatsache, daß er ihr nichts davon gesagt hat. Er ist weniger transparent, als sie gedacht hat, weniger offen; dafür durchtriebener. Der Feind befindet sich bereits innerhalb der Mauern.
Das Persönliche ist nicht politisch, denkt Tony: das Persönliche ist militärisch. Krieg ist das, was passiert, wenn die Sprache versagt.
Zenia , flüstert sie, um es auszuprobieren. Zenia , du bist Geschichte. Du bist ein totes Stück Fleisch.
Charis 7
Charis steht bei Tagesanbruch auf. Sie macht ihr Bett mit aller Sorgfalt, weil sie dieses Bett respektiert. Nachdem sie sich im Laufe der Zeit von einem Bett zum nächsten gearbeitet hat – eine Matratze auf dem Fußboden, beziehungsweise mehrere Matratzen auf mehreren Fußböden, ein Kastenbett aus zweiter Hand mit angeschraubten, unten spitz zulaufenden Beinen, die ständig umknickten, ein rückgratzerstörendes Futon, eine nach Chemie riechende Schaumstoffmatte –, hat sie es endlich zu einem Bett gebracht, das ihr gefällt: fest, aber nicht zu fest, mit einem weiß gestrichenen, schmiedeeisernen Gestell. Sie hat es billig von Shanita bekommen, für die sie arbeitet und die es im Rahmen einer ihrer regelmäßig wiederkehrenden Transformationen loswerden wollte. Alles, was von Shanita kommt, bringt Glück, und auch dieses Bett bringt Glück. Es ist klar, es ist frisch, wie ein Pfefferminzbonbon.
Charis hat eine wunderschöne, bedruckte Tagesdecke auf das Bett gelegt, dunkelrosa Blätter und Reben und Trauben auf Weiß. Ein bißchen viktorianisch. Zu verspielt, sagt ihre Tochter Augusta, die ein Faible für Ledersessel hat, glatt wie eine Kniekehle, für Couchtische aus Chrom und Glas, für Designersofas aus grobgewebter Baumwolle mit Polstern in Grau- und Elfenbeintönen oder in der Farbe milchigen Tees: minimalistische Opulenz, wie in den Büros von Wirtschaftsanwälten. Zumindest stellt Charis es sich so vor; in Wirklichkeit kennt sie keine Wirtschaftsanwälte. Ihre Tochter schneidet Fotos dieser furchteinflößenden Sessel und Tische und Sofas aus Zeitschriften aus und klebt sie in ihr Möbelalbum und läßt das Album herumliegen, aufgeschlagen, als Vorwurf für Charis und ihre Schlampigkeit.
Ihre Tochter ist ein hartes Mädchen. Es ist schwer, sie zufriedenzustellen, oder es ist schwer für Charis, sie zufriedenzustellen. Vielleicht liegt es daran, daß sie keinen Vater hat. Das heißt, nicht keinen Vater: einen unsichtbaren Vater, einen Vater wie ein gestrichelter Umriß, den Charis für sie ausmalen mußte, Charis, die selbst nicht unbedingt viel hatte, woran sie sich halten konnte, von daher ist es kein Wunder, daß seine Züge ein wenig undeutlich geblieben sind. Charis fragt sich, ob es für ihre Tochter besser gewesen wäre, wenn sie einen Vater gehabt hätte. Sie selbst kann dazu nichts sagen, weil sie selbst nie einen hatte. Vielleicht wäre Augusta nachsichtiger mit Charis, wenn sie zwei Elternteile hätte, die sie unzulänglich finden könnte, nicht nur einen.
Vielleicht hat Charis es nicht anders verdient. Vielleicht war sie in einem früheren Leben die Direktorin eines Waisenhauses – eines viktorianischen Waisenhauses, mit nichts als Haferschleim für die Waisen, aber ein gemütliches Feuer und ein warmes Himmelbett mit einem daunengefüllten Federbett für die Direktorin; was eine Erklärung für Charis’ Schwäche für Bettdecken wäre.
Sie erinnert sich daran, daß ihre eigene Mutter sie hart nannte, bevor sie zu Charis wurde, als sie noch Karen war. Du bist hart, du bist hart, schrie sie und schlug mit einem Schuh oder einem Besenstiel oder was immer sonst zur Hand war, auf Karens Beine ein. Aber Karen war nicht hart, sie war weich, zu weich. Ein Weichling. Ihre Haare waren weich, ihr Lächeln war weich, ihre Stimme war weich. Sie war so weich, daß es keinen Widerstand in ihr gab. Harte Dinge sanken in sie ein, sie drangen einfach in sie ein; und wenn sie sich ernstlich Mühe gab, kamen sie auf der anderen Seite wieder heraus. Dann brauchte sie sie nicht zu sehen oder zu hören, oder zu berühren.
Vielleicht sah es aus wie Härte. Du kannst diesen Kampf nicht gewinnen, sagte
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