Die Ranch
erkannt, wäre es nicht zu diesem traurigen Ende gekommen.
»Dass ich todunglücklich mit dir bin. Und du fühlst dich genauso. Sei doch ehrlich!«
»Gewiss, das war eine schwierige Zeit. Hab noch ein bisschen Geduld. Bald wird alles wieder gut.« Hatte er das Leid des letzten Jahres vergessen? Die Bitterkeit, das Schweigen, den Hass?
»Warum sollte sich irgendwas ändern?« Vor ein paar Monaten hatte sie ihn gebeten, einen Therapeuten aufzusuchen, doch dazu war er nicht bereit gewesen. Statt das Problem zu lösen, versteckte er sich davor. Wie konnte alles wieder gut werden?
Seine Stimme nahm einen verzweifelten Klang an, als würde er um sein Leben kämpfen. »Ich verstehe dich einfach nicht …« Offenbar war er völlig verwirrt und unvorbereitet auf ihre Anklagen. Hatte er geglaubt, er könnte sie einfach irgendwo abstellen, gelegentlich mit seiner Grausamkeit quälen und eines Tages zu ihr zurückkehren, wenn er sich besser fühlte? Nun war es zu spät. »Und ich begreife nicht, warum du nach London fliegen willst.« Obwohl er die Wahrheit ahnte, wehrte er sich immer noch dagegen.
»Nächste Woche reden wir darüber.«
»Vielleicht kann ich für ein Wochenende nach New York kommen.« Fand er ihre Anwesenheit in London zu bedrohlich? Doch sie würde nicht warten, bis er sich die Zeit für die Reise nehmen würde.
»Nicht nötig. Dafür bist du viel zu beschäftigt. Unser Gespräch wird nicht lange dauern, und danach möchte ich Alyssa treffen.«
»Weiß sie schon, dass du nach Europa kommen wirst?« Waren alle außer ihm informiert worden?
»Noch nicht«, erwiderte sie kühl. »Bevor ich abreise, werde ich versuchen, sie irgendwo telefonisch zu erreichen.«
»Vielleicht können wir alle zusammen ein Wochenende verbringen.«
»Das will ich nicht. Ich komme nur für ein oder zwei Tage nach London. Danach fliege ich zu Alyssa, wo immer sie auch ist.« O nein, sie würde ihm nicht erlauben, sich hinter ihrer Tochter zu verstecken oder den braven Familienvater zu spielen. Das Problem betraf nur sie beide, nicht Alyssa.
»Bleib doch länger hier – wenn du die weite Reise schon auf dich nimmst …« Seine Stimme erstarb, weil er endlich erkannte, dass weitere Worte sinnlos waren. Noch nie hatte sie so kalt und abweisend mit ihm gesprochen. Gab es einen anderen Mann in ihrem Leben? Daran zweifelte er. Sie war ihm immer treu gewesen. Aber er spürte ihren Zorn, ihre eisige Ablehnung, und er wusste, was sie ihm bei ihrem Besuch in London mitteilen würde. Wenigstens besaß sie genug Anstand, ihn persönlich darüber zu informieren, statt einen Brief zu schreiben. Das respektierte er, aber es tröstete ihn nicht.
Unglücklich starrte er vor sich hin, nachdem sie aufgelegt hatten. Diese Reise könnte sie sich sparen. Er wusste ohnehin, was sie mit ihm besprechen wollte. Stand ihr Entschluss endgültig fest? Schließlich schickte er ihr ein Fax. Eine Stunde später las sie die Nachricht und warf sie weg. Aber das Blatt landete nicht im Papierkorb, sondern am Boden, und Zoe hob es auf. Als sie die wenigen Zeilen las, schüttelte sie den Kopf. Der arme Kerl verstand überhaupt nichts – ein hoffnungsloser Fall.
»Freue mich auf Deinen Besuch nächste Woche. Herzliche Grüße, auch an Deine Freundinnen. Bill.« Irgendwie glich er einem Ertrinkenden, der sich an einen Strohhalm klammerte. Zoe wusste, dass er's nicht schaffen würde. Dafür kannte sie Mary Stuart zu gut.
20
Am Donnerstag klammerten sich die drei Frauen an die letzten Tage wie an Betperlen. Zoe sehnte sich zwar nach ihrem Baby und Sam, mit dem sie täglich telefonierte, aber sie fühlte sich so wohl auf der Ranch und glaubte, sie würde mit jeder Stunde neue Kräfte sammeln. »Wie in Lourdes«, sagte sie scherzhaft zu John Kroner. Sie könnte die Berge betrachten und beten, und sie wusste, sie würde als neuer Mensch heimkehren. Da sei was dran, meinte er.
Ihren Freundinnen erschien jeder dieser Tage wie ein kostbares Geschenk, das sie nie wieder in Händen halten würden. Während die Abreise immer näher rückte, fürchtete Hartley, er hätte die Zeit mit Mary Stuart nicht richtig genutzt, sie wären zu vorsichtig gewesen und hätten sich nicht mit Küssen begnügen dürfen. Nun beneidete er Tanya und Gordon, die sich offensichtlich viel näher gekommen waren. Aber als er am Donnerstagnachmittag mit Mary Stuart darüber sprach, entgegnete sie, er sei albern und sie würden richtig handeln. Nach allem, was sie beide erlitten hatten, wäre es
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