Die Ranch
klüger, nichts zu überstürzen. Außerdem wollte sie ihre Beziehung zu ihm nicht vertiefen, wenn sie glauben müsste, sie würde Bill betrügen oder Hartleys wegen verlassen. Solche Schuldgefühle sollten sie in ihrem neuen Glück nicht verfolgen.
Lächelnd und erleichtert stimmte er zu. »So lange es ein neues Glück gibt, mache ich mir keine Sorgen.« Ganz sicher waren sie beide nicht, und Mary Stuart musste erst einmal die Reise nach London hinter sich bringen, aber alles wies darauf hin, dass sie ihr restliches Leben gemeinsam verbringen würden. Davon waren auch Tanya und Zoe überzeugt. »Während du in England bist, werde ich durchdrehen«, seufzte Hartley. Er hatte sie gebeten, ihn nach Seattle zu begleiten, wo ihm zu Ehren ein neuer Flügel einer Bibliothek gebaut wurde, danach musste er einen Vortrag in Boston halten. Zweifellos würde Mary Stuart ein interessantes Leben an seiner Seite führen. Er wünschte, sie würde alle seine Bücher lesen. Er hatte ihr Teile des Manuskripts gegeben, an dem er gerade arbeitete, und darüber freute sie sich sehr. Plötzlich fand sie es nicht mehr so wichtig, einen Job zu finden. Hartley würde sie zur Genüge beschäftigen.
Sie lehnte seine Einladung nach Seattle ab. Wenn sie die Ranch verließ, wollte sie wie geplant ein oder zwei Tage bei Tanya in L.A. verbringen. Vor dem Flug nach London musste sie in Ruhe über alles nachdenken, und sie brauchte einen klaren Kopf. Sobald alles überstanden war, würden sie sich in New York treffen. Dann wäre sie frei, und sie konnten nach Fisher's Island fahren. Dort wollte er eine Dinnerparty geben, um Mary Stuart mit seinen Freunden bekannt zu machen und ihnen zu erklären, dass die Zeit der Trauer und des Schweigens vorbei, und er bereit sei, sein Versteck zu verlassen.
»Wenn ich mit Bill geredet habe, rufe ich dich sofort an«, versprach sie, als sie spazieren gingen. Am Morgen waren sie mit den anderen ausgeritten, aber an diesem Nachmittag zogen sie ihre Zweisamkeit vor.
»Oder schick mir ein Fax«, bat er beunruhigt. Sie verstand seine Sorge, aber sie fand seine Nervosität übertrieben.
»Lass mich wissen, wann du in New York ankommst. Ich hole dich vom Flughafen ab.«
»Reg dich bloß nicht auf«, versuchte sie, ihn zu besänftigen, und gab ihm einen Kuss. Hand in Hand wanderten sie zur Ranch zurück.
Zur gleichen Zeit galoppierten Tanya und Gordon den Hang des Shadow Mountain herab. Sie hatten die beträchtlichen Schäden inspiziert, die während des Brands entstanden waren, und auf dem Rückweg sprachen sie darüber. Plötzlich entdeckte Tanya einen Mann, der gerade eine Lichtung betrat – schäbig bekleidet, mit langen Haaren, ein Gewehr in der Hand. Trotz des verkohlten Schutts, der überall herumlag, trug er keine Schuhe. Eine Zeit lang beobachtete er die beiden Reiter, dann verschwand er zwischen den Bäumen.
»Wer ist das?«, fragte Tanya.
»Einer dieser seltsamen Typen, die manchmal in den Bergen leben. Offenbar hat ihn das Feuer aus seinem Schlupfwinkel vertrieben, und nun sucht er einen neuen Lagerplatz.« Gordon schien sich wegen des merkwürdigen Vagabunden keine Sorgen zu machen. Wenig später vergaß sie die unheimliche Begegnung und freute sich auf den nächsten Tag. Sie hatte ihn gebeten, einen ausgedehnten Morgenritt mit ihr zu unternehmen. Damit war er einverstanden, hatte aber betont, dass sie sehr zeitig aufstehen müssten.
Im Korral trennten sie sich. Nach dem Dinner würde sie ihn wieder in seinem Cottage besuchen, wo sie die Nächte verbrachte. Am frühen Morgen, bevor ihre Freundinnen erwachten, kehrte sie in den Bungalow zurück.
Beim Abendessen waren alle in bester Laune. Mary Stuart und Hartley wirkten glücklich und zufrieden. Zoe war an diesem Nachmittag wieder bei John Kroner im Hospital gewesen. Sie genoss seine Gesellschaft, und er wusste ihre wertvollen Ratschläge zu schätzen, die seinen Patienten zugute kamen. Da sie sich so großartig unterhielten, verließ Tanya den Speiseraum etwas später als üblich. Sogar Hartley ahnte, wohin sie gehen wollte, aber nicht, wie lange sie dort bleiben würde. Doch das hätte ihn kein bisschen schockiert, weil er Gordon mochte. Nach seiner Ansicht war der nette Cowboy genau der Richtige für Tanya.
Unter einem funkelnden Sternenhimmel eilte sie den Weg hinab. In dieser schönen Nacht erschien ihr die baldige Abreise doppelt schmerzlich. Als sie am Stall vorbeikam, hörte sie die Pferde leise schnauben. Wie üblich wurde sie schon
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