Die Ranch
nächsten Morgen – landesweit die Talk-Show Nummer eins.
»Wegen der Besprechung mit dem Literaturagenten musste ich ohnehin nach New York fliegen, und deshalb kostet mich die TV-Show nicht viel Zeit. Hoffentlich wird der verdammte Bodyguard nicht erwähnt. Mein Agent hat dem Sender erklärt, darüber würde ich kein Wort verlieren.« Plötzlich erinnerte sich Tanya an die Party, zu der sie Mary Stuart mitnehmen wollte. »Letzte Woche trat eine meiner Freundinnen in einer Theaterpremiere auf und bekam fabelhafte Kritiken. Das Stück wird den ganzen Sommer gespielt, und falls es gut läuft, auch noch im Winter. Wenn du willst, besorge ich dir eine Eintrittskarte. Morgen gibt sie eine Party. Möchtest du mit mir hingehen? Hätte Bill Lust dazu? Sicher wäre er willkommen. Ich weiß allerdings nicht, ob das seine Welt ist und ob er Zeit hat.« Oder ob er irgendetwas gemeinsam mit seiner Frau unternahm.
»Oh, du bist süß!« Mary Stuart lächelte gerührt. Wie viel Freude Tanya in ihr Leben brachte … Das erinnerte sie an die Zeit vor zwanzig Jahren. Immer war es Tanya gewesen, die für Spaß und Aufregung gesorgt und die Freundinnen mitgerissen hatte, manchmal sogar gegen deren Willen. Aber Mary Stuart bezweifelte, dass Bill diese Party besuchen wollte. Seit Monaten waren sie nicht mehr ausgegangen, abgesehen von geschäftlichen Anlässen. Er arbeitete jeden Abend, und außerdem bereitete er seine Reise nach London vor, denn in zwei Wochen würde er New York für den Rest des Sommers verlassen. Sie hoffte, sie könnte mit Alyssa ein Wochenende im Londoner Claridge verbringen und ihn treffen. Doch er hatte bereits betont, er würde nicht viel Zeit für seine Familie haben. Danach würde Mary Stuart in die Staaten zurückfliegen. Er wollte ihr Bescheid geben, wie der Prozess lief und ob sie noch einmal nach England kommen sollte. In gewisser Weise erschien ihr das so ähnlich wie die Andeutungen, die Tony Tanya gegenüber gemacht hatte. Beide Frauen mussten machtlos mit ansehen, wie ihnen die Ehemänner entglitten.
»Keine Ahnung, ob Bill Zeit hat. Er bereitet gerade seinen Prozess in London vor. Aber ich werde ihn fragen.«
»Würdest du auch ohne ihn auf die Party gehen? Sie ist ein nettes Mädchen …« Verlegen hielt Tanya inne. Das klang so, als würde sie eine unbekannte Schauspielerin erwähnen. »Felicia Davenport. Fall nicht in Ohnmacht, wenn du vor ihr stehst. Ich kenne sie seit Jahren, sie ist wirklich großartig.«
»Gib nicht so mit deinem prominenten Freundeskreis an!«, schimpfte Mary Stuart lachend. Felicia Davenport, einer der berühmtesten Hollywoodstars, trat zum ersten Mal am Broadway auf. Am Sonntag hatte Mary Stuart einen Artikel in der
New York Times
darüber gelesen. »Nur gut, dass du mich vorher gewarnt hast. Sonst wäre ich tatsächlich vor lauter Ehrfurcht zusammengebrochen.«
Immer noch lachend, verließen sie das Restaurant, und Tanya erklärte, die Party würde in Felicias gemietetem Haus in den East Sixties stattfinden.
Tanya setzte ihre Freundin vor dem Apartmentgebäude ab, und Mary Stuart versprach, sich am nächsten Morgen die Talk-Show anzuschauen. Zum Abschied umarmten sie einander liebevoll. »Danke für alles, Tan. Es ist so wundervoll, dich wieder zu sehen.« Erst jetzt erkannte sie, wie einsam sie gewesen war, seit Bill kaum noch mit ihr sprach. Sie fühlte sich wie eine Pflanze, die nicht gegossen wurde, und nach der Begegnung mit Tanya glaubte sie, in einem belebenden Regen zu stehen.
Lächelnd und mit federnden Schritten betrat sie die Eingangshalle und nickte dem Pförtner zu. »Guten Abend, Mrs. Walker«, grüßte er und tippte wie immer an seine Mütze. Der Liftboy erzählte ihr, vor wenigen Minuten sei Bill eingetroffen. Als sie in die Wohnung ging, fand sie ihn im Arbeitszimmer, wo er einige Papiere ordnete. Sie war in guter Stimmung, und ihr Lächeln verblüffte ihn. Hatten sie denn vergessen, wie es war, angenehme Stunden mit Freunden zu verbringen, miteinander zu reden?
»Wo warst du?«, fragte er und musterte sie ungläubig. Wo konnte sie um diese Zeit gewesen sein, noch dazu in Jeans?
»Tanya Thomas ist in New York, und wir sind zusammen essen gegangen. Nach dieser langen Zeit war es einfach wunderbar, sie wieder zu sehen.« Sie lächelte immer noch. Beinahe kam sie sich wie eine Betrunkene vor. Wie konnte sie es wagen, nicht mehr an das Grauen des letzten Jahres zu denken, an die Mauer des Schweigens, die zwischen ihnen gestanden hatte? Ihre Stimme
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