Die Ranch
für immer hier bleiben.« Aber Alyssa würde ihr Apartment aufgeben, wenn Mary Stuart nach Paris kam.
»Das verstehe ich.« Mary Stuart schaute durch das Küchenfenster zum Central Park hinab. Schön und grün, aber schmutzig und voller Herumtreiber. »Ich kann's kaum erwarten, dich wieder zu sehen.« Inzwischen musste Bill den Flughafen erreicht haben. Sie bezweifelte, dass er sie anrufen würde, denn es gab nichts zu sagen. Und ihr Gefühlsausbruch hatte ihn sicher irritiert.
Am anderen Ende der Leitung entstand ein seltsames Schweigen.
»Hast du schon ein bisschen was organisiert?« Vor einiger Zeit hatte Mary Stuart ihre Tochter gebeten, Landkarten für die Reise nach Italien zu besorgen. »Hast du alle Straßenkarten gekauft, die wir brauchen, und Zimmer gebucht? Neulich hörte ich von einem traumhaften kleinen Hotel bei Florenz …« Ihre Tochter gab noch immer keine Antwort. »Stimmt was nicht, Alyssa?« War sie verliebt? Weinte sie?
Nein, die Stimme klang nicht gepresst, nur befangen. »Mom – ich habe ein Problem.«
O Gott…»Bist du schwanger?« Mit solchen Kalamitäten wollte sich Mary Stuart nicht befassen. Aber sie würde es verkraften.
»Um Himmels willen, natürlich nicht, Mom!«, erwiderte Alyssa entrüstet.
»Okay, verzeih mir. Wie sollte ich's denn wissen? Nun, was ist los?«
Alyssa holte tief Luft und begann, eine lange, komplizierte Geschichte zu erzählen. So ähnlich wie in der dritten Schulklasse. Damals hatten ihre Geschichten kein Ende genommen. Schließlich stellte sich heraus, dass ein paar Freunde nach Holland fahren und sie mitnehmen wollten. Eine fabelhafte Gelegenheit. Eine Reise durch die Schweiz und Deutschland, Übernachtungen in Jugendherbergen, dann Italien.
»Klingt großartig. Aber ich verstehe nicht, wo das Problem liegt.«
Alyssa seufzte. Manchmal war ihre Mutter furchtbar begriffsstutzig. »Diese Woche reisen sie ab, dann sind sie zwei Monate unterwegs. Ich könnte das Apartment schon jetzt aufgeben und mitfahren, nur …« Unsicher verstummte sie, und Mary Stuart erriet die restliche Erklärung. Keine Reise mit der Mutter. Begreiflich, aber eine bittere Enttäuschung. Die Freude auf einen erholsamen Urlaub mit der Tochter, ihrem einzigen Kind, war das Einzige gewesen, woran sie sich in letzter Zeit geklammert hatte.
»Also willst du nicht mit mir verreisen«, sagte sie leise und erschrak über ihre eigenen Worte. Wie jämmerlich sie sich anhörten …
»Wenn du so großen Wert drauf legst, fahre ich natürlich mit dir, Mom. Ich dachte nur – es wäre eine wunderbare Chance … Aber ich richte mich selbstverständlich nach deinen Wünschen.« Alyssa versuchte, sich diplomatisch zu verhalten, doch sie würde viel lieber mit ihren Freunden verreisen als mit ihrer Mutter. Und es wäre unfair, sie daran zu hindern.
»Dann solltest du diese wunderbare Chance nutzen«, schlug Mary Stuart großzügig vor.
»Meinst du das ernst? Wirklich?« Würde Alyssa jetzt in ihrem Pariser Apartment auf und ab hüpfen, wie ein überglückliches Kind? »O Mom, du bist die Allerbeste! Ich wusste ja, du würdest es verstehen, und ich hatte nur Angst, du könntest glauben …« Plötzlich verstand Mary Stuart noch viel mehr, und es schockierte sie nicht.
»Spielt ein gewisser junger Mann in deinen Plänen eine Rolle?« Das hatte Alyssas Stimme verraten, und Mary Stuart lächelte wieder – diesmal noch schmerzlicher.
»Vielleicht … Aber aus diesem Grund will ich nicht mitfahren – nur weil's eine großartige Reise ist.«
»Und du bist ein großartiges Kind, und ich liebe dich. Im Herbst bist du mir was schuldig. Bevor du dein Studium in Yale beginnst, fahren wir beide für ein paar Tage irgendwohin. Abgemacht?«
»Klar.« Trotz dieses Versprechens ahnte Mary Stuart, dass Alyssa auch dann die Gesellschaft ihrer Freunde vorziehen würde. Nun, sie hatte nie gezögert, sich für die Kinder aufzuopfern.
»Wann geht's los?«
»In zwei Tagen. Bis dahin kann ich alles arrangieren.« Sie besprachen, wie Alyssa ihre Sachen nach Hause schicken würde und welche Rechnungen sie begleichen mussten. Mary Stuart würde ihr telegrafisch Geld überweisen und riet ihr, Reiseschecks zu kaufen. Schließlich fragte sie, ob ihre Tochter immer noch die Absicht habe, nach London zu fahren.
»Wahrscheinlich nicht. Neulich habe ich mit Daddy telefoniert, und er sagte, er würde dauernd beschäftigt sein.« Also wich er nicht nur seiner Frau, sondern auch seiner Tochter aus. Kein Trost für Mary
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