Die Ranch
übersiedeln. Aber er war bereits fortgegangen, und sie hatte seine Habseligkeiten ein Jahr zu spät weggeräumt. Ein Jahr zu spät verabschiedete sie sich von ihm. Die Erinnerung blieb bei ihr, doch sie würde nie mehr so leiden wie in diesen letzten Monaten. War es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die übrigen Räume leer stehen würden?
Ein letztes Mal schaute sie sich in Todds Zimmer um, dann schloss sie leise die Tür hinter sich. Am nächsten Tag würde sie einen ihrer Wohltätigkeitsvereine anrufen, die Kleidungsstücke abholen lassen und den Hausmeister bitten, die Kartons in den Keller zu tragen. Langsam ging sie in ihr Schlafzimmer und betrachtete das Foto ihres Sohnes, das sie gemacht hatte: große, strahlende Augen, ein lachendes Gesicht.
Und seine Stimme schien aus der Vergangenheit zu dringen. »Beeil dich, Mom …«In einer nassen Badehose hatte er am Strand in Cape Cod gestanden und gefroren. Übermütig stürzte er sich auf seine Schwester und gab vor, sie zu erwürgen. Dann rannte er mit Alyssas Bikini-BH davon, und sie hatte ihn schreiend verfolgt, ein Handtuch an die Brust gepresst. Vor tausend Jahren – und doch viel lebendiger als normale Erinnerungen und ein einsames Apartment.
Erst im Morgengrauen ging sie zu Bett, träumte von Alyssa, die irgendetwas sagte und den Kopf schüttelte, von Todd, der ihr dankte, weil sie seinen Koffer gepackt hatte. In der Ferne sah sie Bill davongehen und rief nach ihm. Aber er drehte sich nicht um.
6
Bei der Rückkehr nach Los Angeles wusste Tanya nicht, was sie erwartete. Tony hatte angekündigt, er würde ausziehen, aber sie hoffte, dass er sich anders besonnen hatte. Sobald sie zu Hause eintraf, öffnete sie seine Schränke -alle waren leer. Jean zeigte ihr die neuesten Zeitungsartikel. Wieder einmal prangten Reportagen über den Bodyguard, der gegen Tanya wegen sexueller Belästigung prozessierte, auf den Titelseiten. Inzwischen wusste die Presse auch, dass Tony »vorübergehend« ein Apartment gemietet hatte. Diverse Fotos zeigten ihn mit seinem Starlet.
»Schon gut, Jean«, seufzte Tanya müde, »ich bin bereits informiert.« Auf dem Flughafen hatte sie ein paar Zeitungen gekauft. »Jetzt fahr ich erst mal für ein paar Tage nach Santa Barbara.« Sie musste weg von hier, vor neugierigen Blicken und leeren Schränken fliehen. Und sie fand nicht einmal Zeit, ihrem Mann nachzuweinen, weil ihr die Frage, wie sie sich vor den Medien schützen sollte, wichtiger erschien.
»Unmöglich«, erwiderte Jean in sachlichem Ton und reichte ihr den Terminkalender. »Morgen Abend treten Sie bei einer Wohltätigkeitsgala auf, danach sind Proben angesetzt -zwei Tage lang. Und am Wochenende müssen Sie sich mit Bennett treffen, wegen der Gerichtsverhandlung.«
»Sagen Sie ihm, das geht nicht. Ich brauche ein bisschen Zeit für mich allein.« Natürlich würde sie die Gala und die Proben nicht absagen, aber keinesfalls das Wochenende mit Bennett Pearson verbringen und Ihre eidesstattliche Aussage vorbereiten.
»Aber es ist dringend. Der Termin für Ihre Aussage im Fall Leo Turner wurde schon festgelegt. Außerdem hat Bennett einen Anruf von Tonys Anwalt erwähnt.«
»Oh, das ging verdammt schnell.« Von Jean gefolgt, betrat Tanya ihr Schlafzimmer und sank in einen rosa Satinsessel. »Also hat er keine Zeit verschwendet.« Praktisch über Nacht waren drei Jahre im Nichts verschwunden, und Tony kam unverzüglich zur Sache. »Wenigstens einen Tag brauche ich für mich selbst.« Niemand konnte auch nur ahnen, wie ernst sie das meinte. Sie war unfähig, zu lächeln und zu singen und zu schuften, für diese oder jene Leute. Manchmal hatte sie das Gefühl, sie würde nur noch arbeiten, um sie alle zufrieden zu stellen, und gar nicht mehr richtig
leben.
»Bennett glaubt, er kann Leo auf fünfhunderttausend runterhandeln.« Ohne Tanyas grimmige Miene zu bemerken, sah Jean die Notizen auf ihrem Klemmbrett durch.
»Zum Teufel mit Leo! Das dürfen Sie Bennett ausrichten.«
Jean nickte, und Tanya wünschte, ihre Sekretärin würde in der Versenkung verschwinden. Stattdessen fuhr das Mädchen gnadenlos fort: »Heute kam ein Anruf von der
L. A. Times.
Die wollen Einzelheiten über die Scheidung wissen, ob Tony eine Abfindung verlangt oder eine gütliche Einigung anstrebt und so weiter, und was Sie ihm geben wollen.«
»Haben Sie mit dem Anwalt von dieser Zeitung telefoniert?«, fragte Tanya verwirrt. Gab es denn keine Privatsphäre mehr, kein bisschen Anstand und
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