Die Ranch
Und wenn die Presse von Ihrer Niederlage erfährt, wird man Sie wieder mal verunglimpfen. So kurz nach Leos sensationeller Story können Sie sich keinen weiteren Image-Verlust leisten.«
»Grandios! Besten Dank!«
»Tut mir wirklich Leid, Tan.«
»Klar, danke. Reden wir morgen noch mal …« Krampfhaft kämpfte sie mit den Tränen.
»Gut, morgen früh rufe ich Sie an. Wir müssen die Verträge für die Konzerttournee durchgehen.«
Schweren Herzens legte sie auf. Noch nie war sie so schmerzlich mit den Schattenseiten ihrer Karriere konfrontiert worden. Die Medien bezeichneten sie mehr oder weniger als Hure, ihr Ehemann lief davon, und sie durfte ihre Stiefkinder nicht mehr sehen.
Ganz allein saß sie in ihrem schönen Bel-Air-Haus, dachte über ihr Leben nach und wünschte, sie wäre tot. Aber ein Selbstmord kam nicht in Frage. Zum ersten Mal seit vielen Jahren dachte sie wieder an Ellie, dann an Mary Stuarts Sohn Todd. Nur scheinbar ein leichter Ausweg. Für Selbstmord brauchte man eine sonderbare Mischung aus Feigheit und Mut, und beides fehlte ihr.
Bis die Sonne den Himmel erhellte, saß sie in ihrem Wohnzimmer auf der Couch. Unentwegt drehten sich ihre Gedanken im Kreis. Sie wollte Tony hassen. Doch das konnte sie nicht – sie konnte nur dasitzen und weinen, und es gab niemanden, der sie tröstete.
Schließlich stand sie auf, schleppte sich ins Schlafzimmer und sank ins Bett. Was mit dem gemieteten Bungalow in Wyoming geschehen würde, interessierte sie nicht mehr. Vielleicht wollte Jean mit zwei Freundinnen hinfahren. Oder Tony mit seinem Starlet. Nein – er würde nach Europa fliegen. Alle anderen Menschen hatten Freunde und Verwandte und Kinder, ein Privatleben, und die meisten genossen einen guten Ruf. Tanya besaß nur Schallplatten aus Gold und Platin, die an der Wand hingen, und mehrere Pokale in einem Regal. Sonst fast nichts. Würde sie jemals einen Mann finden, der dieses ganze Grauen ertrug? Einfach lächerlich. Sie hatte den Gipfel des Ruhms erklommen, nur um festzustellen, dass es da oben nichts gab, was irgendjemand mit ihr teilen wollte.
Während sie müde auf ihrem Bett lag, dachte sie wieder an die Kinder, die sie vermutlich nie mehr sehen würde. Oder höchstens für ein paar Minuten. Ihr Leben mit Tony und seinen Kindern löste sich in Rauch auf – nach einem gigantischen Feuer, das die Boulevardpresse entzündet hatte.
7
Ein paar Stunden später erwachte sie und fühlte sich wie zerschlagen. Sie hatte schlecht geschlafen, war in bösen Träumen von Leo Turner, Tonys leeren Schränken und der Angst verfolgt worden, sie würde seine Kinder nie wieder sehen. Schwerfällig stieg sie aus dem Bett, stellte sich vor den Spiegel und schnitt eine Grimasse. Irgendwie sah sie verkatert aus, und obwohl sie am Vortag nur ein Glas Wein getrunken hatte, dröhnte es schmerzhaft in ihren Schläfen.
»O Gott, wenn ich das alles hinter mir habe, muss ich wieder zu meinem Schönheitschirurgen gehen«, erklärte sie ihrem Spiegelbild, wankte ins Bad und ließ die Wanne voll laufen. Während sie im heißen Wasser lag, erholte sie sich ein wenig. An diesem Abend würde sie bei einer Benefizgala auftreten, für einen guten Zweck, der ihr sehr wichtig war, und sie wollte ihr Bestes geben. Vor der kurzen Probe am Nachmittag musste sie noch unzählige Pflichten erfüllen.
In ihren Morgenmantel gehüllt, betrat sie die Küche, machte sich einen Kaffee und griff nach der Morgenzeitung. Ausnahmsweise beherrschte sie nicht die Titelseite. Ihr künftiger Exmann oder irgendwelche ehemaligen Angestellten wurden auch nicht erwähnt. Immerhin etwas. Vorsichtig blätterte sie die Seiten um, als erwartete sie, plötzlich würde ihr eine Tarantel ins Gesicht springen.
Aber sie fand nur einen Bericht über eine Ärztin namens Zoe Phillips, die in San Francisco arbeitete. Interessiert verschlang sie den Artikel und lächelte. Zoe war eine ihrer Zimmerkameradinnen auf dem College gewesen. Nun erzielte sie bemerkenswerte Erfolge, was Tanya nicht überraschte. Offenbar hatte Zoe eine der wichtigsten Aids-Kliniken in der City gegründet und schien ein besonderes Talent für einträgliche Spendenaktionen zu entwickeln. Sie beherbergte obdachlose Aids-Kranke und behandelte sie, kümmerte sich aber auch um wohlhabende HIV-Infizierte. In dieser Reportage wurde sie »Mutter Teresa von San Francisco« genannt. Gerührt suchte Tanya die Nummer der Klinik aus dem Telefonbuch heraus und wählte. Das letzte Mal hatte sie vor zwei
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