Die Ranch
eines Tages.« Zoe folgte den Schwestern aus dem Sprechzimmer.
Doch die junge Frau verstand nicht, was die Ärztin erklärt hatte, und die Neugier ließ ihr keine Ruhe. »Sie hat Grammys und Oscars gewonnen und Platin-Schallplatten gekriegt, angeblich verdient sie bei einem Konzert zehn Millionen Dollar. Was will sie denn sonst noch?«
»Etwas ganz anderes, Annalee, glauben Sie mir. Wir beide haben mehr vom Leben.« Welch ein bedrückender Gedanke, dass Tanya eine alte Freundin vom College anrufen musste, um eine Urlaubsgefährtin zu suchen … Wenigstens hatte Zoe ihr Baby.
»Das begreife ich nicht.« Verwirrt schüttelte Annalee den Kopf, während Zoe in einem Behandlungsraum verschwand.
Und in Los Angeles starrte Tanya das Zeitungsfoto von Zoe an. Spontan beschloss sie, Mary Stuart anzurufen. »Hi, rat mal, mit wem ich gerade telefoniert habe?«
»Mit dem Präsidenten«, neckte Mary Stuart ihre Freundin und freute sich, die vertraute Stimme zu hören. Seit der letzten Begegnung in New York vermisste sie Tanya schmerzlich.
»Nein – mit Zoe. Sie leitet eine Aids-Klinik in San Francisco. Darüber ist heute Morgen ein großer Artikel in der
L.A. Times
erschienen, und sie hat ein Baby adoptiert. Ihre Tochter heißt Jade, ist fast zwei Jahre alt und eine halbe Koreanerin.«
»Wie nett …« Mary Stuart versuchte aufrichtig, sich mit Zoe zu freuen. Aber nach über zwanzig Jahren waren die alten Wunden noch immer nicht verheilt. »Typisch für sie, nicht wahr? Ein Kind zu adoptieren, noch dazu eine halbe Asiatin. Also ist sie sich selber treu geblieben. Und die Aids-Klinik überrascht mich auch kein bisschen. Ist sie verheiratet?«
»Nein, da war sie klüger als wir. Ist Bill schon nach London geflogen?«
»Gestern …« Abrupt verstummte Mary Stuart und erinnerte sich an ihre Aktivitäten in der vergangenen Nacht. Obwohl der Entschluss qualvoll gewesen war, würde Tanya ihn gutheißen. »Letzte Nacht habe ich Todds Sachen weggeräumt. Das war längst überfällig, aber bisher konnte ich mich nicht dazu durchringen.«
»Deshalb musst du dich nicht rechtfertigen«, erwiderte Tanya sanft. »Du tust, was du tun musst, um zu überleben.« Dann erzählte sie von Nancy, die ihr nicht erlaubte, die Kinder nach Wyoming mitzunehmen. Mary Stuart hörte die bittere Enttäuschung, die in der leisen Stimme mitschwang, und sie wusste, wie viel die Stiefkinder ihrer Freundin bedeuteten. Gewissermaßen waren sie der beste Teil der Ehe mit Tony gewesen.
»So eine Gemeinheit«, seufzte Mary Stuart.
»Was ist auf dieser Welt
nicht
gemein? Soeben habe ich mich bereit erklärt, diesem Erpresser, der seinen und meinen Arsch an die Boulevardpresse verkauft hat, eine halbe Million zu zahlen.«
»O Gott, warum so viel?«
»Weil sich mein Anwalt vor den Geschworenen fürchtet und glaubt, er könnte den Prozess nicht gewinnen. Die Gegenseite wird mich als Sexmonster hinstellen, das im Geld schwimmt. Die meisten gewöhnlichen Sterblichen setzen mit gleich. Zumindest werden die Geschworenen glauben, es wäre meine Pflicht, einem weniger erfolgreichen, verlogenen und stinkfaulen Kerl eine Riesensumme zu schenken.« Tanya biss in eine Toastscheibe, und Mary Stuart lächelte. Angesichts der Probleme, die ihre Freundin belasteten, klang die Stimme am Telefon erstaunlich ruhig. Eigentlich müsste Tanya im Bett liegen und die Decke über den Kopf ziehen. Doch sie verfügte über unerschöpfliche Energie, was Mary Stuart bewunderte. Was immer Tanya widerfuhr, sie riss sich zusammen, ließ ihre Blessuren heilen, strahlte übers ganze Gesicht und sang sich die Seele aus dem Leib. »Hat sich Bill seit seiner Abreise gemeldet, Mary Stuart?« Dass er seine Frau nicht nach London mitgenommen hatte, verstand Tanya noch immer nicht. Dabei schien er sie nicht einmal mit einer anderen zu betrügen – er wollte einfach nicht mit ihr zusammen sein.
»Noch nicht. Aber gestern hat Alyssa angerufen und unsere Reise abgesagt.«
»Tatsächlich?«, fragte Tanya verblüfft. »Was ist passiert?«
»Sie hat ein besseres Angebot bekommen, mit einem Jungen im Schlepptau. Mit so was kann eine Mutter nicht konkurrieren, wenn ein Mädchen in diesem Alter ist.«
»Und was hast du jetzt vor?«
»Nichts Bestimmtes. Ich muss mir erst überlegen, was ich in den nächsten beiden Monaten tun soll. Um die Wahrheit zu sagen – ich würde dich gern für ein paar Tage besuchen, wenn du Zeit hast. Natürlich wohne ich in einem Hotel. Im
Weitere Kostenlose Bücher