Die Ranch
wirklich mal Urlaub. Was jetzt mit dir los ist, weiß ich nicht.« Nach seiner Ansicht war es eher ein psychisches als ein physisches Problem. »Jedenfalls musst du dich erholen. Du kannst nicht unentwegt vierhundert Prozent deiner Kräfte investieren, ohne Tribut dafür zu zahlen. Fahr doch einfach für zwei oder drei Wochen weg.«
Sie dachte an Dick Franklins Einladung an den Stinson Beach. Natürlich kam das nicht mehr in Frage. Aber Sam hatte Recht, sie musste ihre Kräfte sammeln, um den Kampf gegen die Krankheit aufzunehmen und ihr Leben zu verlängern. »Also gut, ich überleg's mir.«
»Nein, das wirst du nicht tun. Ich kenne dich. Morgen um sieben besuchst du wieder deine Patienten im UC. Lass mich wenigstens das ein paar Tage lang erledigen. Dann kannst du um neun wie ein zivilisierter Mensch in deinem Sprechzimmer erscheinen.«
Das Angebot klang verlockend. Wenn sie wenigstens eine Nacht lang Zeit hätte, um sich auszuschlafen und nachzudenken …»Wenn du heute Abend und morgen früh für mich einspringst, wäre ich dir sehr dankbar, Sam.« Sie fühlte sich wieder völlig erschöpft, was an der Krankheit lag und an der emotionalen Anspannung, seit sie die Wahrheit kannte.
»Was immer du willst.«
Ihr Herz flog ihm entgegen, und sie fühlte sich versucht, ihm alles anzuvertrauen. Nein, vorerst durfte niemand Bescheid wissen. Nicht einmal Sam. Erst später, wenn sie ihn brauchte. Irgendwann würde sie nur noch halbtags arbeiten … Aber es war zu früh, um seine Hilfe zu erbitten, und zu bedrückend, schon jetzt daran zu denken.
»Das weiß ich zu schätzen …«
»Halt den Mund und schlaf!«, unterbrach er sie und stand auf. »Jetzt kümmere ich mich um deine Patienten. Wahrscheinlich wirst du dich großartig fühlen, wenn du morgen aufwachst. Aber ich will dich auf keinen Fall im Hospital sehen. Am besten kommst du erst um zehn ins Sprechzimmer. «
»Du verwöhnst mich, Sam.«
In der Tür blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. »Dazu wäre niemand fähig.« So viel wollte er ihr sagen, über Respekt und Freundschaft, und die gute Zusammenarbeit, aber die Gelegenheit schien sich nie zu ergeben. Seit seiner Rückkehr nach San Francisco hoffte er, mit ihr auszugehen, doch bedauerlicherweise wahrte sie stets Distanz. Ein oder zwei Mal hatte er sie mit dem illustren Dick Franklin gesehen. Wenn er auch an einer ernsthaften Beziehung zwischen den beiden zweifelte – er fand es nicht richtig, Zoe einzuladen. Trotz der langjährigen Freundschaft hütete sie ihre Privatsphäre. Aber es fiel ihm schwer, ihre Warmherzigkeit und Anteilnahme zu ignorieren. Er bewunderte sie sehr und würde alles für sie tun.
»Danke, Sam«, sagte sie leise, und er winkte ihr zu, dann schloss er die Tür hinter sich. Gedankenverloren blieb sie im Bett liegen. Es gab sehr viel zu bedenken – ihre Tochter, ihre Klinik, ihre Krankheit, die Zukunft. Das alles raste durch ihr Gehirn und verschwamm, als sie die Lider senkte. Und plötzlich erinnerte sie sich an Tanya.
Sie suchte die Privatnummer aus ihrem Adressbuch heraus und wählte sie. Nach dem vierten Läuten meldete sich Tanya atemlos. Im Hintergrund ertönte Musik. Um diese Tageszeit war sie allein im Haus, und sie hatte gerade ein paar Fitnessübungen am Rand des Swimmingpools absolviert. »Hallo?« Genau so hatte die Stimme damals auf dem College geklungen. Seltsam, wie wenig sich manche Dinge änderten – und andere auf so schreckliche Weise …
»Tanny?«, fragte Zoe leise und zögernd. Sie fühlte sich so müde und verletzlich und wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Aber sie zwang sich zur Ruhe, und Tanya merkte nichts von dem Problem, von der tiefen Verzweiflung.
»Ich dachte nicht, dass ich so bald von dir hören würde«, erwiderte Tanya erstaunt und erfreut. »Was gibt's?«
»Heute ist was Verrücktes passiert.« Etwas furchtbar Verrücktes, aber sie verschwieg die Wahrheit. »Ein Doktor, der mir manchmal aushilft, hat mich für ein paar Tage aus meinem Sprechzimmer verscheucht und behauptet, er würde den Job brauchen.«
»Meinst du's ernst?«, fragte Tanya verwirrt.
»O ja. Und ich dachte – die Reise nach Wyoming, die du erwähnt hast … Natürlich will ich mich nicht aufdrängen. Hast du schon jemanden gefunden?«
Also deshalb rief Zoe bereits einen Tag nach ihrem Telefonat an. Wundervoll … Würde Zoe auch mitkommen, wenn sie wusste, dass Mary Stuart die Einladung ebenfalls angenommen hatte? Wahrscheinlich nicht, überlegte Tanya.
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