Die Ranch
neue Antibiotika und Medikamente gegen Infektionen und Schmerzen zu entwickeln, betrieb sie intensive Forschungen, und sie probierte sogar ungewöhnliche ganzheitliche Therapien aus. Unermüdlich kämpfte sie gegen die Krankheit jedes Einzelnen, bis zum bitteren Ende, wo es nur noch liebevollen Beistand gab.
»Eines Tages wird es wirksame Medikamente geben -wenn wir Glück haben«, seufzte sie. Nicht früh genug für alle, zu spät für sie selbst.
»Jedenfalls können deine Patienten von Glück reden, weil sie dich gefunden haben«, meinte er bewundernd. Schon immer hatte er sie gemocht, und nun wuchs seine Zuneigung mit jedem Tag. In ihr sah er alles verkörpert, was einen guten Arzt ausmachte. Viele Kollegen waren unnahbar, aber bei Zoe spürte man stets persönliche Anteilnahme. Er fragte sich, ob ihre emotionale Hingabe mit dem Aidstod ihres Liebhabers zusammenhing. Hatte sie seither noch einmal jemanden geliebt? Wohl kaum. Sicher nicht diesen Dick Franklin. Sam würde ihr gern näher kommen, aber für sie war er nur ein Freund und Mitarbeiter.
In letzter Zeit ließ sie niemanden an sich heran, sorgsam errichtete sie eine Barriere zwischen sich und der Welt. Sogar bei Sam, den sie schon so lange kannte, hielt sie Abstand. Was die Männer betraf, war sie als Frau nicht verfügbar, nur als Ärztin. Das machte sie allen deutlich klar, denn es gab keine andere vernünftige Möglichkeit, ihre Situation zu meistern. Kurzfristig hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, einen billigen Ehering zu kaufen, um alle Annäherungsversuche abzublocken. Ihren letzten Weg musste sie allein gehen.
Während sie die Krankenblätter durchsahen, überlegte Sam, ob er sie zum Dinner einladen sollte. Sie mussten noch sehr viel besprechen, und er hatte es nicht eilig, nach Hause zu fahren. »Wollen wir beim Essen weiterreden? Pasta in einem netten Restaurant, irgendwo in der Nähe?« Beinahe hielt er den Atem an und kam sich albern vor. Zoe gab ihm manchmal das Gefühl, er wäre noch ein kleiner Junge, aber das gefiel ihm. Alles an ihr gefiel ihm.
»Klingt gut«, antwortete sie und ahnte nicht, wie attraktiv er sie fand. Sie hatte ohnehin geplant, ihn einzuladen -zum Dank für den Urlaub, den er ihr ermöglichte. Außerdem hatte er sogar versprochen, er würde sich in ihrer Abwesenheit um Jade und Inge kümmern. »Also bist du rund um die Uhr ein Doktor auf Abruf«, scherzte sie, als sie in einem kleinen italienischen Restaurant im Upper Haight Platz nahmen. Dieses Lokal besuchte sie schon seit Jahren. Es war gemütlich, und das Essen schmeckte ausgezeichnet. Zum ersten Mal seit der Studienzeit saß sie wieder mit Sam beim Dinner, und sie lachten, weil es so lange her war. Obwohl sich ihre Wege immer wieder gekreuzt hatten …
Sie bestellten Ravioli. Den Wein, den er ihr anbot, lehnte sie ab. Dann sprachen sie wieder über die Arbeit. Beim Essen grinste er sie jungenhaft an, und der warme Glanz in seinen Augen erleichterte ihr Herz. »Arbeitest du eigentlich immer?«, fragte er sanft. »Oder machst du zwischendurch was anderes?« Sie tat so viel für ihre Mitmenschen, aber es schien niemanden zu geben, der etwas für sie tat.
»Manchmal spiele ich mit Jade.«
»Warst du mal verheiratet?«
»Nie.« Das störte sie offenbar nicht. Sie war zufrieden mit ihrem ausgefüllten Leben und glücklich mit ihrer Tochter.
Aber nun erwachte seine Neugier. »Warum nicht? Falls die Frage zu indiskret ist …«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Abgesehen von ihrer Krankheit, hatte sie keine Geheimnisse vor Sam. »In meiner Jugend wollte ich unabhängig bleiben. Und vor zehn Jahren starb der einzige Mann, den ich wahrscheinlich geheiratet hätte, an Aids. Er hatte sich bei einer Transfusion angesteckt, die er nur um einige Monate überlebte, weil er zusätzlich durch eine Bypassoperation in seinem dreiundvierzigsten Lebensjahr geschwächt war. Ihm verdanke ich meine Klinik. Er war in der Forschung tätig, ein brillanter Mediziner. Eine Zeit lang überlegte ich, ob ich ebenfalls wissenschaftlich arbeiten sollte, denn rätselhafte Krankheiten hatten mich schon immer fasziniert. Dann tauchte der Aids-Virus auf, und ich fand die Praxis wichtiger.«
Zum ersten Mal erwähnte sie ihren verstorbenen Liebhaber. Über ihn hatte Sam Bescheid gewusst, war aber von Kollegen informiert worden. Während sie die traurige Geschichte erzählte, beobachtete er sie und entdeckte nur Wehmut, keine Verzweiflung. Offenbar hatte sie die Tragödie verkraftet,
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