Die Ranch
sie sich die Hände und setzten dann in bestem Einvernehmen ihren Weg fort. Tanya und der Cowboy waren weit vorausgeritten, und die drei Ärzte bildeten die
Nachhut und diskutierten lebhaft über ein neues onkologisches Forschungsobjekt im Mass General.
Nun plauderten Mary Stuart und Hartley über Bücher, New York, die literarische Szene, andere Schriftsteller und Europa, und Mary Stuart erwähnte, dass ihre Tochter in Paris studierte. Wie im Flug verging die Zeit, und beide waren überrascht, als der Cowboy die Gruppe zum Korral zurückführte, und bald würde der Lunch serviert werden. Während Hartley und Mary Stuart abstiegen, unterhielten sie sich weiter, dabei fiel ihr ein eigenartiger Ausdruck in Tanyas Augen auf. Wortlos schwang sich die Freundin von Big Max' Rücken und gab dem Cowboy die Zügel. Dann ging sie zu Mary Stuart, die sie mit Hartley bekannt machte und besorgt fragte: »Bist du okay?«
»Ja, natürlich. Aber unser Cowboy ist ein sonderbarer Kauz. Es hat kein einziges Wort mit mir gewechselt. Wir ritten einfach nur durchs Tal und wieder zurück, und er führte sich auf, als hätte ich die Beulenpest. Offenbar hasst er mich.«
Lachend schüttelte Mary Stuart den Kopf. Sie hatte noch nie einen Mann getroffen, der Tanya hasste. »Wahrscheinlich ist er nur schüchtern.«
»Oh, die meisten Cowboys sind schüchtern«, erklärte Hartley. »In den ersten Tagen sagen sie kaum . Und wenn wir abreisen, fühlen wir uns wie ihre Geschwister. An Großstadtmenschen sind sie nicht gewöhnt – und sie sind auch nicht so schwatzhaft wie wir.«
»Ich dachte, ich hätte ihn irgendwie gekränkt«, seufzte Tanya beunruhigt.
»Ich glaube, Liz hat ihm eingeschärft, dass er sich anständig benehmen muss und nicht zu viel reden darf. Für so einfache Jungs ist der Umgang mit großen Stars etwas schwierig.« Hartley grinste und sah trotz seiner grauen Haare wie ein kleiner Junge aus. »Sogar ich erbebe in Ihrer Gegenwart, Miss Thomas. Ich besitze alle Ihre CDs, und ich finde Ihre Songs fabelhaft.«
»Mir gefallen Ihre Bücher mindestens genauso gut.« Tanya staunte jedes Mal, wenn eine berühmte Persönlichkeit von ihr beeindruckt war. Das konnte sie gar nicht verstehen. Beide lächelten etwas gezwungen, waren angesichts der eigenen Erfolge verlegen. In Mary Stuarts Gesellschaft schien sich der bekannte Autor wohler zu fühlen.
Nun gesellte sich Zoe hinzu und verkündete, sie habe den Ausritt und das Gespräch mit den beiden Ärzten sehr genossen. Mary Stuart machte sie mit Hartley bekannt.
»Worauf sind Sie spezialisiert?«, erkundigte er sich, während sie zu den Bungalows gingen, wo sie sich vor dem Lunch frisch machen wollten.
»Auf Aids und alle damit verbundenen Probleme. Ich leite eine Klinik in San Francisco.«
Davon hatte er gehört, und er überlegte, ob er ein Buch darüber schreiben sollte. Doch er schreckte vor den erforderlichen Recherchen zurück, weil er das Thema deprimierend fand. Andererseits faszinierte ihn Zoes Arbeit, und er stellte ihr viele Fragen. Vor dem Bungalow der drei Frauen verabschiedete er sich und meinte, beim Lunch würden sie sich wieder sehen. Nachdenklich wanderte er davon.
»Was für ein interessanter Mann«, sagte Tanya auf dem Weg ins Haus und nahm ihr Halstuch ab, denn im Lauf des Vormittags war es heiß geworden.
»Und ganz verrückt nach deiner Musik«, ergänzte Mary Stuart ermutigend. Wie gern würde sie Tanya an der Seite eines solchen Mannes sehen, wenn sie auch zugeben musste, dass die beiden offenbar nicht viel gemeinsam hatten … Hartley war ein typischer Ostküstenbewohner, intellektuell und weltgewandt – und Tanya überschwänglich und sinnlich, nicht wild, aber sehr temperamentvoll. Nach Mary Stuarts Ansicht brauchte sie einen charakterstarken Liebhaber, der sie glücklich machte.
»Vielleicht gefällt ihm meine Musik«, erwiderte Tanya, viel lebensklüger als Mary Stuart. »Aber er mag
dich,
Kindchen. Das habe ich ihm angesehen. Er ließ dich kaum aus den Augen.«
»Unsinn! Er ist von unserem
Trio
fasziniert. Vielleicht vergleicht er uns mit Charlie's Angels.«
»Bevor du abreist, wird er sich an dich ranmachen. Darauf wette ich.«
»Habt ihr wirklich nichts anderes im Kopf?« Seufzend wusch sich Zoe in der Kochnische die Hände.
»Doch.« Tanya grinste spitzbübisch. »Sex. Lies doch mal die Boulevardzeitungen.« Ihre Freundinnen wussten es besser, denn sie war immer sehr moralisch und streng monogam gewesen, schon im College.
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