Die Rasse der Flügelmenschen
als daß er weit hätte sehen können. In der Nähe lieferte eine primitive Drehbank Speerschäfte und Tomahawkgriffe. Eine andere Maschine, eine Schleifscheibe, war ihm neu. Hier wurden Äxte und ähnliche Dinge hergestellt. Ein Daumenhammer schlug Feuerstein- und Obsidianstücke ab, um Schneideflächen daraus zu fertigen, eine Kreissäge heulte, und eine Seilflechtmaschine spann schneller, als man mit den Augen folgen konnte. Alle diese Apparate bezogen ihre Kraft mittels Riemenübertragung von der großen Windmühle. Die ganze Anlage war primitiv und nicht sehr solide gebaut, aber trotzdem stellte sie das benötigte Kriegsmaterial schneller her, als die Streitkräfte von Lannach es verbrauchen konnten, und so füllten sich auch die Magazine mit Waffen.
»Wirklich bemerkenswert«, sagte Tolk.
»Das wird euer ganzes Leben verändern«, sagte van Rijn mit einer weiten Geste. »Aber nicht diese oder jene Maschine haben das Leben der Lannachska so verändert, daß es kein Zurück mehr gibt. Nein, die Grundidee ist es, die ich hier eingeführt habe: die Massenproduktion.«
»Aber die Feuerw …«
»Wace hat schon damit begonnen, Feuerwaffen herzustellen. Den Schwefel haben sie vom Mount Oborch geholt, und hier gibt es eine Anzahl Öltümpel, aus denen wir hübsche brennbare Süppchen zusammenbrauen.«
Der Mensch runzelte die Stirn. »Aber eines dürfen Sie nicht vergessen, mein Freund. Wir haben nicht die Zeit, um eure Krieger so auszubilden, wie sie im Gebrauch dieser neuen Waffen ausgebildet sein müßten. Bald werde ich verhungern, und bald werden eure Frauen schwer werden, und dann müssen Lebensmittel eingelagert werden.« Er seufzte pathetisch. »Aber ich werde schon lange tot sein, bevor bei euch die Not wirklich beginnt.«
»Nein, das ist nicht so«, sagte Tolk. »Es ist richtig, bis zur Zeit der Geburt ist fast noch ein halbes Jahr. Aber schon jetzt sind wir vom Hunger, der Kälte und der Sorge geschwächt. Schon haben wir viele Zeremonien versäumt –«
»Eure Zeremonien sollen verdammt sein«, fuhr van Rijn ihn an. »Ich sage, daß wir zuerst Ulwen einnehmen müssen, weil wir damit Duna Brae beherrschen, wo es die meisten Horntiere gibt. Wenn wir Ulwen haben, dann habt ihr genug zu essen und einen leicht zu verteidigenden Stützpunkt obendrein. Aber nein, Trolwen und der Rat sagen, wir müssen zuerst nach Mannenach, sollen Ulwen im Besitz der Feinde in unserem Rücken lassen und dann hinunter in die Bucht von Sagna gehen, wo uns ihre Flöße erwischen. Und warum? Damit ihr dort irgendeinen verdammten Ritus abhalten könnt!«
»Das verstehen Sie nicht«, sagte Tolk sanft. »Wir sind zu verschieden.«
»Bah!« Van Rijn kratzte sich mit einer schmutzigen Hand unter dem verfilzten Bart, der sein ganzes Gesicht umrahmte. »Ich will Ihnen sagen, warum Sie diesen ganzen Ritus haben. Erstens sind Sie ein Sklave der Jahreszeiten, mehr als irgendein Bauer in den alten Tagen der Erde. Zum zweiten ist der Ritus Ihr wertvollster Besitz, da Sie das halbe Jahr von zu Hause weg sind. Er ist das einzige, das ihr überallhin mitnehmen könnt, weil es nichts wiegt.«
»Das mag wohl sein«, sagte Tolk. »Es ändert aber nichts an der Tatsache. Wenn wir auch nur die geringste Chance haben, den vollen Tag von den Steinen von Mannenach zu begrüßen, dann werden wir sie wahrnehmen. Die Verluste, die wir vielleicht erleiden mögen, weil das nicht die beste Strategie ist, wollen wir gerne verschmerzen.«
Damit verließ Tolk die Werkstätte. Nach ein paar Augenblicken folgte ihm van Rijn.
Wace klärte die Sache mit Angerek, legte an einer anderen Stelle mit Hand an, fluchte auf einen jungen Träger, der, ohne sich etwas dabei zu denken, ein paar Fässer mit Petroleum neben der Feuerstelle aufbewahren wollte, und ging dann. Seine Füße waren schwer wie Blei. Diese Arbeit, das Organisieren, Konstruieren und Überwachen, war einfach zuviel für einen Mann. Van Rijn dagegen schien es für bloße Routinearbeit zu halten, Jäger aus der Steinzeit innerhalb von ein paar Wochen in das Maschinenzeitalter zu bringen.
Die Nächte waren jetzt so kurz, daß Wace nun keine Rücksicht mehr auf den Ablauf der Zeit nahm. Er arbeitete, bis er umfiel, ging dann zu Bett, schlief ein paar Stunden und ging dann wieder zur Arbeit.
*
Als die Lannachska zum Kampf bereit waren, riefen Tolks Pfeifer sie nach Salmenbrok, bis der Himmel von ihren Schwingen verdunkelt wurde. Dann schritt Trolwen durch ein Spalier von Kriegern auf van Rijn
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