Die Ratte des Warlords (German Edition)
ihn auffordern würde, die Schuldigen hart zu bestrafen. Aber er hatte die Schuldigen schon bestraft, zumindest die Handlanger. Kepler vernichtete seine Hoffnung und die Enttäuschung darüber innerhalb einer Sekunde.
"Mister Kepler?"
Tatukis Stimme klang im Telefon sehr kalt und reserviert. Genauso wie die Anrede, sonst sprachen sie sich immer mit Colonel an.
"Ja?", erwiderte Kepler gedehnt.
"Wo sind Sie?", erkundigte Tatuki sich nunmehr angespannt.
"Zu Hause. Ich habe frei, warum?"
"Waren Sie heute unterwegs?", fragte Tatuki weiter.
"Ja. Hab ' Merisa geholt", antwortete Kepler im ahnungslosen Ton.
"Und Ihre Männer?", bohrte Tatuki nach. "Ich meine, die fünf?"
"Kobi ist bestimmt in einer Moschee, die anderen im Puff oder so", gab Kepler gelangweilt zurück. "Warum, brauchen Sie uns?"
"Äh, nein", erwiderte Tatuki betont gleichmütig. "Wollte ich nur wi ssen."
"Wozu?"
"Ich muss etwas klären."
Das klang unwillig und misstrauisch. Kepler spürte förmlich, dass der Oberst ihm nicht glaubte, er wäre nur bei den Nuba gewesen.
"Schönen Tag noch ", wünschte Tatuki. "Colonel", fügte er verspätet hinzu.
Er weiß, wer seine Killer gekillt hat, dachte Kepler. Und wenn er das weiß, dann weiß Abudi es.
Kepler zog die Vierunddreißiger heraus und wartete.
Aber es kam ni emand, um ihn zu töten. Noch nicht. Warum auch immer. Sie wollten wohl die Nacht abwarten, um es heimlich machen zu können.
Als es zu dämmern anfing, lud Kepler die Siebzehner Glock mit Unterschal lmunition, steckte die Pistole ins Schulterhalfter und zog die Weste an. Danach stieg er in den Jeep und fuhr zum Stab.
Es war Wochenende und schon relativ spät. Aber anscheinend war Kepler von richtigen Annahmen ausgegangen, Ab udis Mercedes stand auf dem Parkplatz und auch der Wagen von Tatuki. Ihre Fahrer waren nicht da, wahrscheinlich saßen sie im Bereitschafstraum und spielten Karten.
Im Stab waren nur die Wachen anwesend. Die beiden am Eingang salutierten zackig, als Kepler an ihnen vorbeiging.
67. Das Vorzimmer war leer, Abudis Sekretär war nicht mehr da. Kepler sammelte sich einen Augenblick lang. Dann sah er ein Glas auf Adils Tisch stehen. Er nahm es, drückte es mit der Öffnung an die Tür von Abudis Büro, presste ein Ohr an den Boden des Glases und verharrte. Einen Augenblick später konnte er gedämpft Tatukis Stimme wahrnehmen.
"Wir haben unsere Leute mitgenommen und sie gemäß Gesetz begraben", berichtete der Oberst gerade. "Die Nonnen wollten wir erst liegen lassen, aber dann könnte eine Seuche ausbrechen. Wir haben sie verbuddelt."
"Gut" , sagte eine Stimme, die Kepler bekannt vorkam, widerwillig beipflichtend. "Die Männer, die sie verscharrt haben, sind eine Woche lang unrein."
De r zweite Satz hatte kompromisslos auffordernd geklungen. Kepler erinnerte sich jetzt, es war die Stimme des Muftis, mit dem er gesprochen hatte.
"Jawohl", bestätigte Tatuki.
"Wie wurde Mohammads Kommando ausgelöscht?", fragte Abudi sachlich.
"Ich hätte mehr sagen können, wenn da nicht eine ganze Horde Idioten rumg etrampelt wäre, bis ich da war", erwiderte Tatuki ätzend. "Also, sie wurden überrascht", fing er einen Moment später sachlich zu berichten an. "Sie wurden einzeln erschossen, manche während sie wegliefen. Sie hatten einen Jungen dabei, an dem hat man sich abreagiert. Alle Leichen weisen Kopfschüsse aus nächster Nähe auf, man wollte auf Nummer sicher gehen." Tatuki machte eine bedeutungsschwere Pause. "Sie wurden alle mit Pistolenmunition erschossen", fügte er langsam und deutlich hinzu. "Neunmillimeter Parabellum."
"Sicher?"
"Ja, die Wunden sind zu klein für ein Gewehr", antwortete Tatuki. "Alle wurden mit mehreren Schüssen getötet und die Treffer liegen sehr nah beieinander."
"Das könnte auf eine hohe Kadenz hindeuten, oder?", meinte Abudi. "Masch inenpistolen vielleicht? Irgendein Kommando vielleicht?"
"So etwas haben nur gut ausgerüstete Einheiten", erwiderte Tatuki. "Wie die von unserer Ratte." Er schwieg kurz. "Ich glaube, das war kein Kommando. H aben Sie ihn mal mit der Glock schießen sehen?"
"Deutet noch etwas auf ihn hin?"
"Kobi sagt, dass die anderen Männer sich vergnügen, und dass Kepler Bier holen wollte. Die Mission liegt nicht direkt auf dem Weg zu den Nuba, aber die sagten, er wäre nur sehr kurz da gewesen, fünf Minuten höchstens", berichtete Tatuki. "An der Straßengabelung fanden wir Spuren von einem Jeep. Verwischt, der Wagen hatte in Eile gewendet", fügte er
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