Die Ratte des Warlords (German Edition)
die zwischen Dschanub Kurdufan und den drei Darfurprovinzen lag. Dort wütete der Krieg. Die Flüchtlinge aus Darfur kamen mittlerweile in die auch so schon nicht reichen hiesigen Dörfer. Für die UNO bedeutete das noch öftere Entsendungen von humanitärer Hilfe.
Momo kannte jeden Winkel der Gegend und navigierte Kepler schnell und s icher ans Ziel. Sie kamen am Abend im Dorf an, wo Rosa sofort begeistert in Beschlag genommen wurde. Die Männer des Dorfes entluden den LKW, dann aßen Kepler, Rosa und Momo zusammen mit den Dorfbewohnern ein recht dürres Mal aus einer breiigen Speise aus Affenbrotbaumfrüchten. Danach überließ man ihnen eine Hütte zum Übernachten.
Momo verzog sich in den Sc ania, damit er Kepler und Rosa in ihrer vorerst letzten gemeinsamen Nacht nicht störte.
14. Wochen später lief Keplers Leben in ziemlich geordneten Bahnen. An fünf bis sechs Tagen in der Woche war er unterwegs – wenn der Scania denn lief. Wenn nicht, reparierte er ihn.
Er wohnte in seinem LKW und machte mehr Touren als die anderen Fahrer.
D er Grund dafür war sein Einzelgängertum. Zu den anderen Mitarbeitern von World Vision hatte er kaum Kontakt. Er war zwar fähig, als Teil einer Gruppe zu fungieren, aber hier war er lieber allein, und er war es gern.
S ein ganzes Erwachsenenleben hatte er im festen Gefüge einer Armeeeinheit verbracht, wo jeder seinen Platz kannte, alles geordnet ablief und jeder sich auf den anderen verlassen konnte – und musste. Zum anderen, besonders deutlich war das beim KSK gewesen, waren er und seine Kameraden gut ausgebildete, hochqualifizierte Spezialisten gewesen. Jetzt war es anderes. Die Menschen hier waren eine bunte Mischung aus allen Gesellschaftsschichten, die meisten waren jedoch Afrikaner, deren Kultur Kepler naturgemäß sehr fremd war. Sie waren freundlich und hilfsbereit, aber für sie war er genauso fremd wie sie für ihn. So kamen sie einander nicht näher, und Kepler bemühte sich auch nicht darum. Für den Umgang mit den wenigen Weißen galt dasselbe wie für die Einheimischen.
Ein weiterer Punkt war der Glaube. World Vision war eine christliche Organ isation, die Vertreter aller Konfessionen und auch Andersgläubige einstellte. Die meisten Afrikaner, die für World Vision arbeiteten, waren Christen, eine Minderheit im muslimischen Sudan. Auch die meisten Weißen waren gläubige Christen. Trotz aller Unterschiede in den Kulturen und Sitten, der Glaube einte die Weißen und die Afrikaner, obwohl sie sich sonst nur kleinen Gruppen zugehörig fühlten, die sich zum einen nach Nationalitäten, zum anderen nach gemeinsamen Aufgaben bildeten. Kepler war bei Weitem kein Atheist, aber ebensowenig zählte er sich zu den Gläubigen.
Diese Aspekte machten ihn einmal mehr zu einem Außenseiter. Die Erfahrung war nicht die erste dieser Art in seinem Leben – und mit Sicherheit nicht die letzte. Kepler war das gleichgültig, sonst kam er mit allen gut aus, half da, wo seine Hilfe gebraucht wurde, und bekam selbst Hilfe, wenn er sie brauchte.
Mit Momo war es anders. Der kleine Afrikaner war Keplers ständ iger Führer und Begleiter geworden. Kepler kannte sich zwar mittlerweile gut in Kurdufan aus, er akzeptierte es trotzdem. Zum einen, weil er beim KSK stets mit einem Partner unterwegs gewesen war, zum anderen, weil man auch in Afrika zu zweit einfach besser arbeiten konnte.
Momo war jung , in vielen Dingen unerfahren und von Kepler sehr beeindruckt. Nach und nach hatte Kepler ihm erzählt, wie er sein Leben zugebracht hatte. Für Momo war seine Geschichte faszinierend. Als er allerdings anfing, Fragen über persönliche Dinge zu stellen, machte Kepler ihm klar, dass er darüber auf keinen Fall zu sprechen gewillt war. Momo war zuerst etwas vor den Kopf gestoßen, aber dann fanden Kepler und er andere Themen. Sein breites Wissen machte Kepler zu einem interessanten Gesprächspartner. Während der langen Fahrten unterhielten sie sich über alles Mögliche, angefangen von der altgriechischen Geschichte bis hin zu Neutronensternen. Momos sehnlichster Wunsch war zu studieren, am liebsten an einer Uni in Europa oder Amerika, und Kepler diente ihm wohl als Ersatz dafür. Keplers Nutzen bei diesen Unterhaltungen bestand darin, dass er ständig sein Arabisch verbesserte.
Kepler fuhr nie nach Khartum, obwohl diese Route als einfach, leicht und m aterialschonend galt. Er war viel lieber abseits in der Savanne unterwegs. Dabei lernte er von Momo die Lebensweise der sudanesischen
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