Die Ratte des Warlords (German Edition)
Afrikaner kennen, ihre Geschichte und ihre Gepflogenheiten, ihre Ansichten über das Leben und dessen Sinn und wie man ihnen als Weißer begegnete. Er lernte auch die Tricks der Einheimischen, mit denen man in der Wüste oder im Dschungel überlebte.
Ein weiterer Aspekt, warum er sich ungern an Konvois beteiligte, war Rosa. Er besuchte die Schwedin bei jeder Möglichkeit, die sich ihm bot.
Mittlerweile dachte Kepler nicht mehr daran, wie er die Zeugen seiner Schlägerei ausfindig machen konnte. Irgendwo hatte er ein Zuhause. Und er wünschte sich manchmal, Omas Lächeln sehen zu können. Aber er wollte nicht mehr weg.
Schon am Tag konnte Afrika verzaubern. Seine Berge, seine Savannen, seine Wälder, so etwas gab es nirgendwo sonst auf der Welt. Allein der Himmel hier schien mehr Farben zu besitzen, egal ob es regnete oder die Sonne schien.
Und nachts war es für Kepler, als ob er am Ursprung allen Lebens einschlafen würde. Gleichgültig wie müde er war, bevor seine Augen zufielen, horchte er auch nach Monaten fasziniert durch das Fenster der Schlafkabine in die Dunkelheit, roch die seltsame Würze afrikanischer Luft, hörte die Stimmen von Menschen, die irgendwo Lieder sangen, oder die von Tieren, die die Nacht mit einer Seele erfüllten. Und wenn er am frühen Morgen neben einem Fluss aufwachte, der wegen der Hitze zu einem Rinnsal verkommen war und trotzdem Leben bedeutete, wenn die trinkenden Tiere ihn friedlich ansahen, weil er keine Gefahr für sie war, erfüllte ihn das mit Ehrfurcht.
Aber auch wenn Kepler sie jeden Tag aufs Neue spürte, sie hielt nie lange an.
Denn zusammen mit dem glitzernden Morgen erwachte meist auch die Grausamkeit. Ohne sie wäre Afrika ein Ort, der er gewesen war als es noch das Paradies auf Erden gegeben hatte. Aber der Kontinent hatte den Garten Eden längst vergessen. Und manchmal machte die Grausamkeit in der Nacht keine Pause. In diesen Nächten hörte Kepler Schüsse. Dann schlief er ohne zu lächeln ein.
Das war es, was ihn trotz der Schönheit, der Vielfältigkeit und den Aufregungen seines neuen Lebens verbittern ließ. So wie vor Jahren im Kosovo hatte er wieder das Gefühl, mit dem Kopf gegen eine Wand anzurennen. Seine Kameraden und er waren dort gewesen, um Menschen zu helfen, bereit, ihr Leben für sie zu geben. Aber das Sterben und das Leid waren trotzdem weitergegangen. Dann war den Amerikanern irgendwann der Kragen geplatzt und sie hatten das Land innerhalb von fünf Wochen in den Frieden bombardiert. Jugoslawien lag aber mitten in Europa, hier waren sie alle zu sehr am Ende der Welt, als dass es die Welt kümmerte, was hier passierte. Der Westen wurde mehr von Unternehmen repräsentiert, als von der Politik. Die westlichen Firmen waren um einiges mehr an den Rohstoffen und den Bodenschätzen des Sudans interessiert, als an den Bedürfnissen der Menschen. Sie waren zwar auch an der Stabilität interessiert, aber die zu besorgen überließen sie den lokalen Bossen. Solange das Geld floss, juckte es die Westler nicht, wer welche Opfer dafür bringen musste.
Die jenigen aus dem Westen, die wirklich helfen wollten, schufteten sich ab, um das Leid und das Elend der Ärmsten der Armen zu lindern. Sie taten es, obwohl sie keine Aussicht auf Erfolg hatten. Der Konflikt in den Darfurprovinzen forderte immer mehr Opfer und zwang immer mehr Menschen zur Flucht. Als Folge des gleichzeitig stattfindenden zweiten Sezessionskrieges im Südsudan lehnten sich überall im Süden lokale Warlords gegen die Zentralregierung in Khartum auf und zankten sich nebenbei untereinander. Das Ergebnis waren immer mehr Tote, Verletzte und Vertriebene.
Jedes Mal , wenn Kepler in ein Dorf kam, das oft nicht einmal auf der Landkarte verzeichnet war, fanden sich dort einige Menschen mehr, die versorgt werden mussten. Er war froh wenn es nur das war und er keine Leichen vorfand.
Aber wenn Kepler den Scania in den Dörfern entlud, sah er den Hass in den Augen der Menschen. Sie hassten ihn, weil sie ihn brauchten, damit sie überleben konnten. Und sie liebten ihn vorbehaltlos aus demselben Grund.
Und er hasste sie auch, und noch mehr sich selbst, weil seine Hilfe nichts bewirkte. Er saß sechzehn bis zwanzig Stunden am Tag hinter dem Steuer. Er brachte Momo das Fahren bei und ließ ihn fahren, wenn er selbst nicht mehr imstande dazu war, nur damit er mehr Touren machen konnte. Er musste um jeden Liter Diesel feilschen und rieb sich auf, um Ersatzteile zu bekommen. Einmal rastete er in brachialer
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