Die Ratte des Warlords (German Edition)
huschte.
Kaum hatten sie Kaduqli verlassen, stimmten die Flüchtlinge ein unendl iches Lied an. Der Gesang übertönte das Brummen des Diesels und das Gepoltere des Fahrwerks. Kepler schaute eine Weile immer wieder besorgt in die Spiegel, unter den Passagieren waren auch einige Kinder. Die kleinen Menschen waren von Natur aus sehr neugierig und Kepler sah ständig kleine Köpfchen über den Bordwänden auftauchen. Doch die Eltern zogen ihre Sprösslinge sofort zurück.
Mit der Zeit entspannte Kepler sich u nd erhöhte die Geschwindigkeit.
Trotzdem fuhr er nicht so schnell wie sonst, damit seine Passagiere nicht zu sehr durchgeschüttelt wurden, und büßte so etwa fünfzehn Kilometer pro Stunde Geschwindigkeit ein. Eine weitere Unannehmlichkeit bei der Beförderung von Menschen bestand in ihren natürlichen Bedürfnissen. Es verging keine halbe Stunde ohne dass jemand gegen das Fahrerhaus hämmerte. Kepler hielt an, die Geschäfte wurden erledigt, dann ging es weiter.
Durch die Verzögerungen hatten sie am ersten Tag nur etwa Zweidrittel der geplanten Strecke geschafft. Sie übernachteten in der Nähe eines Do rfes, am nächsten Morgen ging es nach Keplers Gebrüll weiter.
Am nächsten Nachmittag erreichten sie das Gebiet von General Abudi. Bis zu dem Bestimmungsort waren es nicht einmal mehr zehn Kilometer, als Kepler an einem Akazienwäldchen anhielt. Es war schon fast dunkel und er wollte in diesem Gelände den Wagen nicht riskieren. Entladen und zurückfahren würde er in der Nacht sowieso nicht mehr können, so machte es keinen großen Unterschied, ob er einen halben Tag früher oder später zurück in Kaduqli war. Seine Passagiere machten Feuer, nahmen eine bescheidene Mahlzeit zu sich, sangen ein bisschen, dann kehrte allmählich Ruhe ein.
Kepler stand am nächsten Morgen als erster auf. Er kletterte aus dem Fahrerhaus und machte einige Dehnübungen. Die Sonne ging gerade auf. Das Gelände war fürs Laufen nicht besonders prickelnd, aber Kepler lief entlang der Spuren des Scania los. Er lief etwas mehr als dreißig Minuten, dann drehte er um und lief zurück. Es wurde mit jeder Minute heller. Wenn seine Passagiere sich gleich sputen würden, dann könnte er gegen Mittag auf dem Weg zurück sein.
Er hörte schon ein Stimmengewirr vom Nachtlager, als aus dem Busch am Wegrand ein Mann in Tarnuniform vor ihn sprang und ein Sturmgewehr auf ihn richtete. Kepler blieb sofort stehen und hob die Hä nde.
"UNO", sagte er deutlich, "World Vision."
Der Bewaffnete blickte ihn misstrauisch an. Kepler sah mit seiner KMW und den anderen Klamotten eher wie ein Soldat aus, denn als humanitärer Helfer.
"Ich bin der Fahrer des Lasters da vorn", sagte er auf Arabisch.
Der Mann deutete ihm wortlos mit dem Lauf der Waffe voranzugehen. Kepler nickte und ging ruhigen Schrittes an ihm vorbei. Die Hände nahm er wieder herunter, hielt sie aber deutlich vom Körper gespreizt.
Um die gesamte Situation erfassen zu können, verlangsamte er seine Schritte, je näher er ans Lager kam.
Auf der Lichtung sah er etwa dreißig bewaffnete Männer. Sie standen nur auf einer Seite der Lichtung, sie hatten sie nicht umzi ngelt. Die Waffen hingen den meisten von den Schultern, die Läufe zeigten nach unten. Einige hielten ihre AKs in den Händen, aber auch mit den Läufen nach unten. Kepler sah in die Gesichter der Männer, sie waren ruhig. Er blickte zum Scania. Die Flüchtlinge standen in einer Reihe vor dem Laster. Kepler sah den Befehlshaber mit Momo sprechen. Es war nur eine Kontrolle und Kepler entspannte sich. Momo sah ihn und sagte etwas zu dem Milizen, der ihn daraufhin mürrisch anblickte. Der Gesichtsausdruck des Offiziers gefiel Kepler nicht. Dann sah er, dass Momo erschrocken wirkte. Das war er in solchen Situationen normalerweise nicht und das gefiel Kepler weniger. Er ging zielstrebig weiter, die Hände hielt er immer noch deutlich von sich. Als er neben Momo stehen blieb, würdigte der Offizier ihn nur mit einem kurzen abschätzenden Blick.
"Papiere", verlangte er auf Englisch.
Der Mann hatte eine unangenehm aufgebrachte, bellende Stimme, sie klang wie bei einem zänkischen Weib.
Kepler griff langsam in die linke Brusttasche und zog seinen in Plastik eing eschweißten Ausweis von World Vision hervor. Genauso langsam reichte er ihn dem Offizier. Der warf einen Blick darauf.
"Deine Genehmigung hier zu fahren", forderte er.
"General Abudi erlaubt der UNO völlige Bewegungsfreiheit", sagte Momo auf Arabisch
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