Die Ratten im Maeuseberg
Sinnlich und zärtlich zugleich. Nicht so akademisch kühl wie
ihre ,offizielle* Kunst, wie mir erzählt wurde.“
„Ob ich sie liebe oder nicht,
was geht Sie das an?“ knurrte er aggressiv. „Sie, ein Flic! Was verstehen Sie
davon?“
„Erstens bin ich kein Flic,
sondern Privatflic. Zweitens gehöre ich zu ‘ner ganz speziellen Art von
Privatflics. Die Liebe, Monsieur, die leidenschaftliche Liebe ist ein Gefühl,
vor dem ich Respekt habe. Mein Spezialgebiet sozusagen.“
„Warum erzählen Sie mir das?“
fragte er verwundert. „Damit Sie nicht mehr um den heißen Brei herumreden.
Damit Sie mir nicht mehr mit Ihren Geldangeboten auf den Wecker gehen. Und
damit Sie kapieren, daß ich mit Ihrer Frau sprechen muß. Ob sie jemanden
umgebracht hat oder nicht, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Sie alleine kann
mir nämlich bei einer Sache weiterhelfen, die auf mehrere Millionen
hinausläuft.“
„Und das Geld, haben Sie davor
auch Respekt?“
„Nein. Dafür hab ich nichts als
Verachtung übrig. Deswegen bin ich auch immer pleite. Und da ich immer pleite
bin, brauche ich immer Geld. Ein Teufelskreis. Na ja... Ihre Frau war gestern nacht in einem Abbruchhaus, in dem sich eine Tragödie
abgespielt hat. Ich war übrigens auch da. Wär mir lieber, wenn das nicht
bekannt würde. Sie sehen, wir könnten uns gut verstehen...“
Ich erzählte ihm, was er
unbedingt wissen mußte.
„Also“, schloß ich, „muß ich
mit Ihrer Frau sprechen. Ich schwöre Ihnen, daß ich nichts gegen sie
unternehmen werde. Wo ist sie? Auf dem Land?“
„Ja.“
„Oder in einer psychiatrischen
Klinik?“
„Auf dem Land. Ich habe ein
Haus im Chevreuse-Tal, in Saint-Rémy. Mit der Heilanstalt haben wir’s nur
einmal versucht... ohne Erfolg.“
„Ich weiß. Haben Sie Ihre Frau
heute nach Saint-Rémy gebracht?“
„Gleich heute morgen. Ich
dachte, etwas Ruhe... Dort kümmert sich ein altes Ehepaar um sie. Die beiden
kennen sie von klein auf. Sie ist noch nie in einer solchen Verfassung von
ihren... äh... Ausflügen nach Hause gekommen.“
„Klar, es hat ja auch noch nie
so tragisch geendet. Was hat sie Ihnen erzählt?“
„Nicht viel. Sie war gar nicht
bei klarem Verstand. Sie sagte was von einem toten Mann... Ihr Körper war
voller Blut, darüber trug sie eine dreckige Hose, einen schmierigen Mantel...“
„Die Klamotten haben Sie auf
den Bahndamm geworfen, stimmt’s?“
„Ja. Ihr ist schon mal was
Unangenehmes passiert, in der Rue Pernety. Bei ihrem Umgang...“
„Ich muß mit Ihrer Frau sprechen,
Monsieur Courtenay.“ Er knetete seine Hände.
„Lassen Sie ihr etwas Ruhe. Ich
versichere Ihnen, sie ist nicht in der Lage, irgendwelche Fragen zu
beantworten.“
Ich konnte den Maler nicht
zwingen, mich sofort zu ihr zu bringen. Nicht zu ändern. Ich würde in der
Zwischenzeit etwas nachdenken.
„Sorgen Sie dafür, daß ich so
früh wie möglich mit ihr sprechen kann“, sagte ich. „Sie haben meine Adresse
und Telefonnummer.“ Ich stand auf. „Etwas anderes: Ich will Ihnen gerne helfen,
Ihre Probleme aus der Welt zu schaffen. Wenn Sie jemand wieder mal erpressen
will, bieten Sie ihm um Gottes willen kein Geld an, so wie mir. Versuchen Sie,
Namen und Adresse rauszukriegen. Auch ein falscher Name hilft manchmal weiter.
Kann ich mich auf Sie verlassen?“
„Ja.“
„Also dann, gute Nacht,
Monsieur Courtenay.“
Als wir uns die Hand gaben, sah
er mich etwas sonderbar an. Wahrscheinlich konnte er meinen Vortrag über Liebe
und Geld immer noch nicht einordnen.
* * *
Zu Hause zog ich eine
Zwischenbilanz. War gar nicht so einfach. Ferrand wollte mich an einer Sache
beteiligen, die mehrere Millionen einbringen sollte. Dafür brauchte er einen
wie mich. Eine saubere Sache, hatte er behauptet. Vielleicht stimmte das ja.
Die Erpressung des Ex-Oberstaatsanwalts hatte offensichtlich nichts damit zu
tun. Die lief nur so nebenbei, fürs Zigarettengeld. Und die Rothaarige? Hatte
sie Ferrand umgebracht? Hatte sie überhaupt was mit der ganzen Sache zu tun? So
langsam bereute ich’s, dem Maler gegenüber so vertrauensvoll gewesen zu sein.
Ich dachte noch ein paar Sekunden darüber nach. Dann schnappte ich mir das
Telefon. Die Mitarbeiter der Agentur Fiat Lux müssen zu jeder Tagesund
Nachtzeit einsatzbereit sein. Als erste weckte ich Hélène und schilderte ihr
meinen Abend.
„Hören Sie, mein Schatz“, sagte
ich dann. „Ich schwimme ganz fürchterlich. Muß unbedingt was tun, wenn auch
nur, um das Gefühl
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