Die Rattenhexe
ging ich auf meinen Wagen zu.
Langsam – Schritt für Schritt. Es waren nur wenige Meter. Mir kamen sie vor wie Kilometer. Auch spürte ich, daß sich mein Atem stark abgeflacht hatte. Von einem kräftigen Durchatmen konnte nicht mehr die Rede sein.
Der Schweiß war geblieben. Er bedeckte jetzt auch meinen Nacken wie ein feuchtes Tuch. Ich ließ mich dennoch nicht beirren und setzte den Weg fort.
Keine der Ratten bewegte sich. Sie hockten auf den Dächern und glotzten mich an.
Leider stand der Rover ziemlich eingeklemmt. Ich konnte die Tür zwar öffnen, aber nicht locker einsteigen, sondern mußte mich, wenn ich mich hinter das Steuer klemmte, schon verrenken. Das wiederum würde Zeit in Anspruch nehmen. Wenn ich mich in der Bewegung befand, war ich zudem relativ wehrlos.
Es paßte mir alles überhaupt nicht in den Kram, aber es gab keine andere Möglichkeit.
Vor der schmalen Gasse zwischen dem Rover und einem alten Daimler blieb ich stehen. Die Ratte auf meinem Autodach hatte ihren Kopf so gedreht, daß sie mich unter Kontrolle halten konnte. Sie putzte sich auch nicht mehr, sondern hockte jetzt in einer sprungbereiten Haltung, wobei sie ihre Pfoten gegen das Blech stemmte.
Mir war schon komisch zumute. Ich dachte auch daran, die Beretta zu ziehen und zu schießen, aber eine, höchstens zwei Ratten hätte ich erwischen können. Die anderen wären schon nach dem ersten Schuß blitzschnell verschwunden. Leider mußte ich etwas schräg gehen, um mich in die Lücke hineinzuklemmen. Den Autoschlüssel holte ich aus der Hosentasche. Meine schweißfeuchten Finger glitten über das warme Metall.
Die Ratten taten nichts. Hinter mir hockte auch eine auf dem Dach des Daimlers. Der Gedanke daran, daß sie mir in den Nacken springen könnte, beruhigte mich nicht gerade.
Egal, ich mußte hindurch.
Ziemlich eingeklemmt stand ich vor der verschlossenen Wagentür. Es roch widerlich. Auch nach altem Schlamm und verschmutztem Wasser.
Der Geruch konnte auch von den Ratten stammen, die sicherlich aus irgendeiner Unterwelt ans Tageslicht gekommen waren.
Ich steckte den Schlüssel ins Schloß – wartete…
Es passierte nichts. Nicht mal das Kratzen der Füße war zu hören. Alle Ratten saßen starr wie Porzellantiere auf den Dächern. Ich schloß die Tür auf.
Natürlich konnte ich sie nur einen Spalt öffnen. Der Daimler war das Hindernis. Mit der Ecke berührte die Rovertür das andere Hindernis. Der Laut war kaum zu hören, aber für die Ratten wirkte er wie ein Startsignal.
Das Tier auf dem Dach des Rovers sprang. Ich stand zu sehr in der Klemme und kam nicht weg.
Die zweite löste sich hinter mir.
Der Gedanke war nur kurz, denn einen Moment später hatten die Tiere ihr Ziel erreicht.
Die Rover-Ratte war gegen meine Brust geprallt und krallte sich am Stoff fest. Die andere hockte auf meinem Rücken, aber sehr hoch, hielt ihr Maul offen und hatte die Zähne gegen meinen Hals geschlagen, ohne zuzubeißen. Ich schielte nach unten, sah die Rover-Ratte, die ebenfalls das Maul geöffnet hielt, mir die Zähne präsentierte und so wirkte, als wollte sie mir im nächsten Augenblick die Kehle zerfetzen…
***
Ich war schon verdammt oft in haarige und lebensgefährliche Situationen geraten. Diese hier empfand ich als besonders schlimm, weil sie so entwürdigend war. Mein Leben wurde nicht unmittelbar bedroht, aber man hatte mich in die Ecke des Verlierers gedrängt. Wenn ich mich nur falsch bewegte, würden die beiden Nager ihre Zähne in meine Haut schlagen, sicherlich noch härter als bei der Bedienung.
Schon vorhin waren mir die Sinne so geschärft vorgekommen. Das hatte sich nicht geändert, es war sogar noch schlimmer geworden, denn jetzt spürte ich jedes Jucken auf dem Gesicht, am Hals und auch am Körper.
Zudem rannen die Schweißtropfen in mehreren Streifen über meinen Rücken und versickerten.
Die vier anderen Ratten bewegten sich auf ihren Autodächern. Ich hörte sie auch. Sie waren schnell und kamen mir vor wie kratzende Schatten.
Dann plumpsten sie zwischen den Fahrzeugen zu Boden und huschten unter ihnen hinweg.
Nichts hatte sich zu meinen Gunsten gebessert. Abgesehen davon, daß keines der Tiere zubiß.
Ihre feuchten Felle stanken wie eine Kloake. Und ich hatte mich noch immer nicht bewegt. Allmählich kam ich mir vor wie einer der Pfeiler, der die Decke stützte. Alles war so bekannt und trotzdem fremd.
Im Mund hatte sich der Speichel gesammelt. Ich schluckte ihn hinunter und hoffte, daß diese
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