Die Rebellen von Irland
Familie Boyle unten in Munster. Zu der Zeit, als der Herzog von Devonshire nach Irland kam, waren die Ponsonbys und ihre Gefolgsleute bereits in der Lage, der Regierung die nötigen Stimmen zu verschaffen, um ein Gesetz reibungslos durch das Dubliner Parlament zu bringen. Und es hatte ihr Ansehen weiter gemehrt – und dem Herzog politisch in die Hände gespielt –, dass unlängst einer ihrer Söhne eine Tochter des Herzogs geheiratet hatte. Das Beste von allem war, jedenfalls in Eliza Laws Augen, dass dieser Aufstieg der Familie nicht nur Wohlstand, sondern auch einen Titel eingebracht hatte.
Ach. Einen Titel. Heutzutage waren in Irland viele zu haben. Besonders die irische Peerswürde wurde häufig für politische Verdienste verliehen. Ein Mann brauchte nur zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein und so zu stimmen, wie es der Regierung genehm war, um Lord zu werden – eine Auszeichnung, die beinahe Ewigkeitswert hatte, denn der Titel war erblich. Wer nach gesellschaftlichem Prestige für seine Familie strebte – und wer in dieser Gesellschaft tat das nicht? –, der musste eine Peerswürde erlangen.
Bei dem Gedanken an einen Titel bekam Eliza einen verträumten Blick. Sie selbst würde niemals mit Lady Law angeredet werden, aber wie sehr wünschte sie sich das für ihre reizenden, schwanengleichen Töchter. Junge Gentlemen mit Aussichten auf einen Titel, das erträumte sie sich für die Mädchen. Und nun standen die jungen Gentlemen hier im Saal vor ihr, geballt vor allem in der strahlenden Entourage des Vizekönigs. Wie wunderbar. Eliza Law konnte sich nicht erinnern, jemals so beglückt gewesen zu sein.
Dann sah sie Tidy zurückkommen. Er ging einem gut aussehenden Mann mittleren Alters voran, der ihm quer durch den Saal folgte. Sie steuerten direkt auf die Gruppe um den Herzog zu. Alle Augen waren auf die beiden gerichtet. Die Landadligen, die Lords und Ladies, die künftigen Lords, sie alle sahen zu, in diesem großen Saal, den zehntausend Kerzen erleuchteten. Alle sahen zu, und das allgemeine Gemurmel verstummte, als Fortunatus Walsh beim Herzog anlangte. Der Herzog streckte ihm die Hand entgegen und lächelte.
Als Walsh nahte, hatte sich der Herzog zu seinem Schwiegersohn hinübergebeugt.
»Worum handelt es sich noch einmal?«, hatte er sich freundlich erkundigt.
»Fortunatus Walsh. Mitglied des Parlaments. Alter Fingaler Landadel. Wünscht, mit Euer Gnaden gesehen zu werden. Wird nur eine Minute dauern.«
»Und es gibt nichts, was dagegen spricht?«
»Nicht das Geringste. Ein loyaler Mann. Stets hilfsbereit. Ein guter Freund.«
»Dann sollten wir ihm wohl gefällig sein.« Trotz seiner bisweilen behäbig wirkenden äußeren Erscheinung war der Herzog ein überaus kluger Mann, der sich glänzend auf Gefälligkeiten wie diese verstand. Er streckte die Hand aus. »Mein lieber Mr Walsh, wir freuen uns, Sie zu sehen.«
Sie sprachen über Händel, für den Fortunatus mit kundigen Worten seine Bewunderung zum Ausdruck brachte, dann plauderten sie über ein paar Stücke, die sie im Smock Alley Theatre gesehen hatten. Der Herzog fand rasch Gefallen an seinem Gesprächspartner und bot ihm – die höchste Form der Auszeichnung – sogar seine Schnupftabaksdose an. So unterhielten sie sich fünf Minuten lang, und ganz Dublin sah zu.
»Wir müssen uns wieder sprechen«, sagte der Herzog, um die Audienz zu beenden, jedoch mit einem Nicken zu seinem Schwiegersohn, um ihm zu bedeuten, dass es ihm ernst damit war. Darauf zog sich Fortunatus in stillem Triumph zurück. Kaum war er fort, raunte der Herzog Ponsonby zu: »So, und jetzt verraten Sie mir, worum es dabei geht.«
Die ganze Zeit über war Eliza Law von der Gunstbezeigung in diesem illustren Kreis so gebannt gewesen, dass sie kein Wort gesprochen hatte. Jetzt wandte sie sich an ihre Begleiterin.
»Wer ist der Gentleman?«
»Wie, Sie kennen ihn nicht? Das ist Fortunatus Walsh. Gute alte Familie. Und politisch in hoher Gunst, wie man hört.«
All diese sorgfältigen Vorbereitungen nebst der vertraulichen Information, dass die Laws in die Aufführung des Messias zu gehen gedachten, hätten nicht genügt, um die Falle an diesem Abend zuschnappen zu lassen, wäre nicht noch ein weiterer glücklicher Umstand zu Hilfe gekommen.
Nämlich der Umstand, dass der junge Tom Sheridan just zu dem Zeitpunkt nicht viel zu tun hatte.
Trotz des bedauerlichen Vorfalls vor so vielen Jahren war es Fortunatus gelungen, die Freundschaft mit Doktor Sheridan und seiner
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