Die Rebellin
doch eben selbst gesagt …«
»Im Gegensatz zu dir, mein Junge, versteht Mr. Cole offenbar etwas von Frauen. Ja, begreifst du denn nicht?« Ein anerkennendes Lächeln machte sich im Gesicht des alten Haudegens breit,während er über seine Koteletten strich. »Victoria ist ein spotthässliches Weib und vollkommen verliebt in ihren hübschen Albert, wie jedermann weiß, seit er sie mit einem Strauß hundert roter Rosen erobert hat. Nichts würde sie deshalb seliger machen, als wenn er öffentlichen Erfolg hat. Mr. Cole«, sagte er dann zu seinem Gast, »Ihre Strategie leuchtet mir ein. Also kommen wir zur Sache: Wie viel Geld brauchen Sie?«
Cole glaubte die Steine poltern zu hören, die ihm vom Herzen fielen. »Um eine runde Summe zu nennen: einhunderttausend Pfund. Fünfzigtausend für das Gebäude, zwanzigtausend für die Preise, der Rest für die Nebenkosten.«
»Zwanzigtausend für die Preise?«, fragte George Munday. »Das sind beträchtliche Kosten.«
»Keine Kosten, Sir, sondern eine notwendige Investition. Ohne Preise keine öffentliche Beachtung, ohne öffentliche Beachtung keine Königliche Kommission, ohne Königliche Kommission keine nationale, geschweige denn internationale Veranstaltung.«
»Klingt vernünftig«, brummte James Munday und wiegte seinen weißhaarigen Kopf. »Aber was erwarten Sie von uns? So eine Art Garantiefonds?«
»Richtig, Sir. Zu drei Prozent Verzinsung per annum.«
George Munday zog ein Gesicht, als hätte man ihm saure Sahne in den Tee gegeben. »Das heißt, Sie verlangen ein grenzenloses Darlehen, und wir tragen das ganze Risiko? Für drei Prozent Zinsen? Warum sollen wir das tun, junger Mann?«, fragte er, obwohl er mindestens zehn Jahre jünger war als Cole. »Was ist unser Vorteil bei dem Geschäft?«
Die Frage hatte Cole noch mit niemandem besprochen. Trotzdem zögerte er keine Sekunde mit der Antwort. »Ich bin autorisiert, Ihnen die Hälfte des Gewinns anzubieten.«
»Und die andere Hälfte?«
»Verbleibt bei der Society of Arts zur Finanzierung weiterer Ausstellungen.«
Statt einer Antwort winkte James Munday seinen Neffen zu sichan den Schreibtisch. Die beiden steckten die Köpfe zusammen und wechselten flüsternd ein paar Worte.
»Folgende Konditionen, Mr. Cole«, sagte James Munday, während sein Neffe an seinen Schreibtisch zurückkehrte, um zu protokollieren. »Wir gewähren der Society of Arts ein Darlehen zu fünf Prozent bei gleichzeitiger Übernahme des Risikos. Dafür erhalten wir zwei Drittel der Einnahmen nach Abzug aller Unkosten, das übrige Drittel geht an die Society. Sind Sie damit einverstanden?«
George Munday beeilte sich, die Worte seines Onkels aufzuschreiben. Während seine Feder über das Papier raschelte, dachte Cole fieberhaft nach. Einerseits war der Garantiefonds die Lösung des gordischen Knotens: Damit würde er den Prinzgemahl gewinnen, und die Unternehmer und Politiker im Land würden endlich ihre abwartende Haltung aufgeben. Andererseits, wenn eine solche Verquickung privater und öffentlicher Interessen, wie James Munday sie vorschlug, je an die Öffentlichkeit drang, würden die liberalen Whigs, die ihn bis jetzt unterstützt hatten, ihn in Stücke reißen – ein gefundenes Fressen für die Protektionisten der Tory-Partei.
»Wenn Sie bitte unterschreiben möchten.«
George Munday reichte ihm das Protokoll über den Schreibtisch. Cole blieb in seinem Sessel sitzen.
»Eine Klausel bitte ich noch aufzunehmen.«
»Nämlich?«
»Die Ablösung und Entschädigung der Kapitalgeber seitens der Society für den Fall, dass sich das Schatzamt zur Übernahme der anstehenden finanziellen Verpflichtungen bereit erklärt.«
George Munday blickte seinen Onkel fragend an, doch der nickte. »Bevor ein solcher Fall eintritt, trocknet eher die Themse aus.«
Cole wartete, bis das Protokoll fertig war. Dann stand er auf und nahm das Papier. Seine Hände zitterten leicht, als er die Zeilen überflog.
»Bitte sehr.« George Munday reichte ihm seinen Füllfederhalter.
»Worauf warten Sie noch?«, fragte James. »Ich denke, wir haben alle Fragen geklärt.«
Cole starrte das Protokoll an wie ein Orakel. Wenn er mit dieser Vereinbarung von seiner Reise zurückkehrte, standen ihm alle Türen offen – im Buckingham-Palast und im Hause Paxton. Doch kam er mit leeren Händen nach London zurück, waren seine Träume geplatzt. Einerseits, andererseits – er war schon genauso ein Zauderer wie der Prinzgemahl! Plötzlich sah er Marians Gesicht vor
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