Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
beobachtet, dass sein Verstand sie zum Leben erweckte, wann immer er wollte. Ihre langen Haare glitten geschmeidig herab und verwoben sich mit den Zweigen, das Blut war verschwunden, und sie richtete ihre nachtblauen Augen auf ihn. Er hörte sogar ihre süße Stimme in seinem Kopf widerhallen, wie sie ihm den Brief wiederholte. E … das Mädchen-mit-den-blauen-Augen … Vic … Sie war so schön, zu schön, um zu sterben. Aus tiefstem Herzen richtete er ein Gebet an seine Gottheiten, auf dass sie sich erholen möge.
Das Knurren eines Wolfs riss ihn aus seinen Träumen. Das majestätische Tier erschien. Es war auf die Lichtung geschlichen, sicher, um seinen Durst zu stillen und dann festzustellen, dass in seinem klaren Wasser etwas war, was ihm nicht gefallen konnte.
Solange er im Teich blieb, hatte Andin nichts zu befürchten, aber wenn die Nächte hier in dieser Jahreszeit genauso kühl waren wie in Pandema, würde sein Körper nicht lange durchhalten. Er begann zu hoffen, dass das Tier sich zurückziehen würde, so dass ein wenig Geduld genügen würde.
Der Wolf hatte zu knurren aufgehört. Er hatte die Reißzähne wieder unter den Lefzen verborgen und sogar seine gerundeten Ohren aufgerichtet. Stark schnuppernd näherte er sich dem Gepäck des jungen Mannes: Sicher hatte er die Nahrungsmittel gerochen!
Da Andin schon befürchtete, dass sein Abendessen sich in Rauch auflösen würde, richtete er sich auf und begann heftig ins Wasser zu schlagen. Sofort floh der Wolf, so schnell er konnte, aber ein Geruch, der stärker als die Furcht war, drängte ihn zurückzukehren. Andin hatte Angst vor dem Tier, und der Wolf musste das spüren: Er gewann seine Selbstsicherheit zurück und machte sich wieder an die Arbeit.
Die Schnauze interessierte sich nicht für das Essen. Verstohlen packte der Wolf die Überreste des schwarzen Hemds und flüchtete damit in einige Entfernung. Er verschwand nicht hinter den Clematisranken. Andin durchschaute sein Verhalten, als er den Wolf winseln hörte und sah, wie er sich auf dem zerfetzten Stoff zusammenrollte.
Andin steckte schön in der Klemme! Was sollte er tun? Dieser Wolf schien das Mädchen-mit-den-blauen-Augen zu kennen, aber konnte Andin sich ihm nähern? Allem Anschein nach war er zahm, aber vielleicht erkannte er nur einen Herrn an. Gut. Auf jeden Fall hatte das Tier bestimmt mehr Angst als Andin.
Sachte, ohne den Wolf zu stören, stieg Andin aus dem Wasser. Mit kleinen Schritten ging er näher heran. Der Wolf rührte sich nicht; er blieb zusammengekrümmt auf dem Stofffetzen zwischen den Grashalmen liegen. Von Zeit zu Zeit warf er beunruhigte Blicke auf Andin, ließ aber keinerlei Angriffslust erkennen. Der junge Mann beherrschte sich gut. Immer noch mit langsamen, gemessenen Bewegungen nahm er seine Tasche und seine Kleider, um sich zu entfernen. Das Tier reagierte nicht darauf.
Andin kleidete sich ohne Eile wieder an. Die dicken Wolken waren wie von Zauberhand verschwunden, aber die Kälte biss ihm in die Haut und kündigte die Nacht an. Vorsichtig sammelte Andin Holz und entzündete ein Feuer. Wenn der Wolf sich jetzt näher heranwagte, konnte er ihn daran hindern anzugreifen, ohne ihm wehzutun.
Der junge Mann zog das Wildbret hervor, das ihm geschenkt worden war. Er spießte den kleinen blauen Vogel auf und begann, ihn über dem Feuer zu braten. Die Nüstern des Wolfs weiteten sich, aber er ließ sich sonst während der gesamten Garzeit nichts anmerken. Erst als das Fleisch durchgebraten war, hob er die Schnauze. Er robbte auf dem Boden näher heran, das Hemd im Maul, während sein fransiger Schwanz auf die Wildkräuter schlug.
Diese Haltung sah bei einem wilden Tier so komisch aus, dass Andin gar nicht anders konnte, als lachen. Überrascht und gekränkt sprang der Wolf auf, um sich zu entfernen. Seine schlitzartigen Augen, die genauso funkelten wie die Flammen, geboten Schweigen. Andin war still und betrachtete das schreckhafte Tier. Es war leuchtend grau-rot. Sein dicker Pelz war an den Pfoten und an der Stirn, wo sich ein vollkommener Kreis zeigte, strahlend weiß gezeichnet. Es war ein hübsches Tier von etwa hundert Pfund Muskelmasse mit seidigem Fell. Ein wunderschöner Wolf.
Andin riss ein Stück Fleisch ab und hielt es ihm hin. Die Kniegelenke des Wolfs berührten fast den Boden; er hatte den Schwanz zwischen die Beine gezogen und die Ohren ganz nach hinten angelegt und streckte den Hals und die Schnauze so weit vor, wie es nur irgend ging. Aber er wagte
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