Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
flüchtete.
Der Gesichtsausdruck des Kindes beim Davonhuschen seines Nagetiers zeigte, dass sie von ihrer bevorstehenden Trennung wusste. Tausende von Entscheidungen wirbelten hinter ihrer versteinerten Miene durcheinander. Sie sah sich vorsichtig um und sagte ganz leise: »Ich werde diese Blume immer zur Erinnerung an dich aufbewahren. Vergiss mich bitte nicht.«
Dann setzte sie mit entschlossener Miene, die großen Augen fest auf ihn gerichtet, hinzu: »Ich heiße Elea.«
Danach ging alles so schnell! Beim Klang ihres Vornamens erschien ein Mann, ein wahrer Koloss in dunklen Gewändern! Ein riesiger Schlapphut und ein Schleier verhüllten sein Gesicht. Er war in einen gewaltigen Umhang gehüllt und wirkte, als würde er aus der Dunkelheit heraus Gestalt annehmen.
Andin wagte sich nicht zu rühren. Die kleine Elea dagegen ging gehorsamen Schritts mit gesenktem Kopf auf die Gestalt zu. Man hätte sie für eine hübsche Lumpenpuppe halten mögen, die die Haltung einnahm, die ihr Besitzer wünschte. Sie hob den Kopf erst im Augenblick des Aufbruchs wieder. Mit ausdrucksloser Miene sah sie Andin ein letztes Mal tief in die Augen. Eine Träne lief ihr über die Wange.
Selbst jetzt spürte Andin noch den Schock, den ihm dieser Blick versetzt hatte. Seine Gedanken kehrten zurück zur Klippe am Meer:
Schnell verschwand die Kleine unter dem Umhang ihres Lehrmeisters und Vaters und ging mit ihm davon. Andin wäre ihr gern nachgelaufen, um bei ihr zu bleiben und sie den Händen dieses Mannes zu entreißen, aber eine Stimme erklang hinter ihm: »Nein, Andin – begeht diese Torheit nicht!«
Es war sein Vater, der König von Pandema. Er hatte gesehen, wie die beiden Kinder geflohen waren, und war ihnen gefolgt.
»Es steht Euch nicht zu, Euch einzumischen. Sie hat sich dem Willen der Feen gebeugt.«
»Aber ich kann ihr folgen – nichts verbietet mir das«, verteidigte Andin sich. »Und … es gibt kein Gesetz, das mich zwingt, jemanden meines Standes zu heiraten.«
»Gewiss, aber Ihr seid zu jung, um zu heiraten, und ich weiß, dass dieses Kind nicht für Euch geschaffen ist.«
Die überzeugte und ernste Antwort erstaunte Andin. Er konnte noch so viel argumentieren und von all den Gefühlen erzählen, die er für die Kleine empfand – sein Vater blieb dabei, dass sie nicht für ihn geschaffen war. Angesichts solcher Sturheit schrie Andin beinahe: »Warum?« Wie konnte sein Vater das wissen? Die Feen enthüllten nicht, welche Schicksale einem in Liebesdingen bevorstanden! Wie konnte er also so sicher sein, da doch Andins Herz das Gegenteil hinausschrie?
Heute fragte Andin sich, warum er die Antwort erzwungen hatte. Es wäre ihm lieber gewesen, er hätte sie nie gehört. Er erinnerte sich an all die Tränen, die er um dieser Prophezeiung willen vergossen hatte – angesichts der Schicksalhaftigkeit, die sein Vater ihm enthüllt hatte. Der Moment stand Andin klar vor Augen:
Frederik von Pandema setzte sich auf einen Felsen und begann langsam mit seiner Erzählung. Er wählte seine Worte sorgfältig und hielt vielleicht sogar Informationen zurück, um die Zukunft zu mildern. Bei Andins Geburt waren ihm die Feen in all ihrer durchscheinenden Zartheit erschienen. Sie hatten ihm verkündet, dass sie seit dem Kampf, in dem sie gegen den Hexergeist Ibbak gestanden hatten, ihre Kräfte noch nicht völlig zurückgewonnen hätten. Es war ihnen nicht gelungen, den kriegerischen Wahn aufzuhalten, den er in den Bewohnern der Ungewöhnlichen Lande geweckt hatte. Die letzte Hoffnung der Feen, ihre Kraft zu festigen, bestand in der Wiedervereinigung von Pandema und Leiland zu einem einzigen Königreich.
Sie hatten jeden der Söhne Frederiks und Celianes von Pandema für eine der Prinzessinnen von Leiland bestimmt. Die Hochzeiten mussten unbedingt in zwanzig Jahren zur Sommersonnenwende auf der Königsburg von Leiland gefeiert werden. Anders als bei den Verbindungen, mit denen sich die Feen sonst gern befassten, würden diese Drei andere ausschließen: Die Prinzen und Prinzessinnen werden keine andere Person lieben und gleichzeitig von ihr wiedergeliebt werden können. Die Drei Feen hatten nicht geglaubt, damit schlecht zu handeln. Ihnen war einfach nicht der Gedanke gekommen, dass die letzte Prinzessin von Leiland, die Andin versprochen war, zwei Jahre später tot zur Welt kommen würde, nachdem sie ihrer beider Schicksal besiegelt hatten.
Andin war übel. Warum musste er unbedingt an diese Geschichte zurückdenken? Die
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