Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
ihren Arm bemerkt, und seine Unschuld gestattete ihm, die Frage auszusprechen, die sich alle insgeheim stellten.
»Nein, ich bin nur verletzt, aber es ist nicht schlimm«, erklärte sie. »In zwei Tagen wird mein Arm geheilt sein, und ich werde wieder gegen den Schuft Korta kämpfen können.«
In zwei Tagen! Andin traute seinen Ohren nicht! Die Verletzung war ihm doch schrecklich vorgekommen … Vic log bestimmt, um die Eltern und Kinder zu beruhigen! Und dennoch … dennoch war sie auf den Beinen und es schien ihr nicht sonderlich schlecht zu gehen.
Noch eines dieser kleinen Wunder, über deren Geheimnis sie verfügt , dachte er.
Da sie nun einmal angefangen hatten, stellten die Knirpse Fragen über alles Mögliche, und Vic beantwortete sie alle so einfach, wie sie konnte. Die Kinder drängten sich um sie und zögerten nicht, ihr auf die einladenden Knie zu klettern. Sie lachte über ihren Eifer und hatte trotz des Eingreifens ihrer Mütter große Schwierigkeiten, sie zu beruhigen.
Dann kam ein kleines Mädchen an die Reihe. Sie hatte Angst, wirkte, als ob sie Fieber hatte, und versteckte einen Arm hinter dem Rücken. Ihr Verhalten weckte Vics Aufmerksamkeit. Mochte sie dem Kind auch noch so gut zureden, es glaubte, etwas falsch gemacht zu haben. Am Ende begann die Kleine sogar zu schluchzen: »Ich habe nicht auf Mama gehört, und jetzt ist mein Arm ganz zerfressen!«
»Zeig ihn mir bitte.«
Der Ton war befehlend geworden und verriet eine gewisse Besorgnis. Das kleine Mädchen schob mühsam den Ärmel hoch: Ihr Arm war nur noch eine einzige Wunde: An einigen Stellen war die Haut heftig gerötet, an anderen blutete sie, und eitriger Schorf löste sich mitsamt dem Gewebe ab. Der Anblick war nicht schön, und Andin kniff kurz die Augen zu. Die Mutter des Kindes schrie auf: Sie war nicht auf dem Laufenden gewesen, sondern hatte ihre Tochter nur hergebracht, weil sie Fieber hatte; von allem anderen hatte sie nichts geahnt.
Mit gesenktem Kopf gestand das kleine Mädchen schniefend sein Fehlverhalten ein: »Das ist so, seit … seit ich Imma besuchen gegangen bin. Ich wollt’ ihr was zu essen bringen. Aber sie hat geschrien. Die Tür war zu, und sie hat mir zugerufen, dass ich weggehen soll … Das ist das erste Mal, dass sie so mit mir geredet hat! Ich habe Mama nichts gesagt, weil … Sie will ja nicht, dass ich sie besuche. Aber sie ist meine Freundin!«
Sie hatte diese letzten Worte eher zu sich selbst gesprochen, als um sich zu rechtfertigen.
»Wer ist Imma?«, fragte Vic sofort.
»Eine blinde Hexe«, antwortete die Mutter. »Sie belegt das Dorf mit üblen Flüchen. Das mit dem Brunnen war sie – davon sind wir alle überzeugt!«
Tränen strömten dem kleinen Mädchen über die Wangen. Sie schüttelte langsam den Kopf und versuchte vergeblich, ihre Freundin zu verteidigen. Sie richtete den Blick auf die Maske und suchte in ihrer Heldin jemanden, der ihr vielleicht endlich glauben würde. Aber Vic wusste nicht genug über diese Geschichte, um Partei ergreifen zu können. Das Wichtigste war herauszufinden, ob sie das Kind heilen konnte. Sie zog es vor, die Kleine zu enttäuschen, indem sie sich nur um ihren Arm kümmerte, ohne ihre Meinung zu der Auseinandersetzung kundzutun. Vic wandte sich zu Andin um.
»Kannst du Estelle bitte sagen, dass sie herkommen soll? Sie ist eine junge Frau, fünfundzwanzig Jahre alt, schwanger. Sie trägt schulterlange braune Haare und wenn sie auf mich gehört hat, muss sie sich auf einem der Karren aufhalten.«
Der junge Mann ging sofort los und fand sich in einem Dorf wieder, das er nicht wiedererkannte. Die Hälfte der Pflastersteine auf der Hauptstraße war schon verlegt, und manche Männer machten sich bereits am Brunnen zu schaffen. Die Dachböden und Fassaden waren verstärkt worden, und man begann, die Dächer mit Schieferplatten oder frischem Stroh zu decken. Man hörte den Lärm der Hämmer, Seilzüge und Scheuerbürsten an allen Ecken, unterstrichen von eigenwilligen Gesängen. Erstaunlich!
Estelle befand sich in der Tat auf einem Karren. Sie gab Anweisungen, da ihr Zustand es ihr nicht gestattete, sich körperlich sehr anzustrengen. Sie kam sich nicht besonders nützlich vor und wollte gern mehr tun, aber Vic hatte sich nur unter der Bedingung, sie nicht herumlaufen zu sehen bereiterklärt, sie mitkommen zu lassen.
Estelle sah einen jungen Mann auf sich zukommen. Aus seinen weizenfarbenen Haarspitzen und seinem ansprechenden Gesicht schloss sie, dass es sich um
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