Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
nicht am Willen dazu. Während sie mühsam den Kräuteraufguss trank, der ihr gereicht wurde, atmete sie tief durch und begann ihre Erzählung: »Ich gehe oft nachts spazieren, um meine Ruhe zu haben … Ihr müsst wissen, dass man mich für eine Hexe hält … Eines Nachts sind Soldaten zur Quelle des Dorfs auf der anderen Seite des Hohlen Hügels gekommen. Ich bin näher herangegangen, um herauszufinden, was sie sagten. Sie lachten laut und warfen Gegenstände ins Wasser … Es waren verweste und vergiftete Tierkadaver, um uns zu vernichten. Korta wollte sich an der Maske rächen, indem er uns vor ihrer Ankunft dezimierte. In dem Moment wusste ich nicht, was ich tun sollte. Was ich auch gesagt hätte, man hätte mir nicht geglaubt, oder es hätte gar ein Kind aus Ungehorsam das Wasser getrunken. Deshalb bin ich bis ins Dorf gelaufen und habe den Brunnen zerstört … Die Feen haben mir geholfen. Ein heftiges, rettendes Gewitter ist losgebrochen und hat den Lärm übertönt, den ich gemacht habe. Zum Glück hat niemand mich aufhalten können. Ich musste ins Wasser steigen, um die Rohre zu verstopfen, und habe begriffen, dass ich verloren war. Als ich sicher war, dass kein Tropfen Wasser mehr floss, bin ich zurück nach Hause gegangen und habe mich verbarrikadiert … Ich habe keinen Platz auf dieser Erde, ich habe keine Angst zu sterben. Ich muss bloß alles der Maske erzählen, sie wird mir glauben.«
Dann wandte sie sich Victoria zu, deren Hand sie ergriffen hatte, und schloss mit einem unterdrückten Lächeln: »Siehst du, du hast an mich geglaubt und bist mich holen gekommen.«
Andin war schon längst hinausgelaufen und zum Brunnen gerannt, um die Männer aufzuhalten, die ihn zu reparieren versuchten. Die Neuigkeit von Immas Heldentat machte binnen weniger Sekunden die Runde durchs Dorf, und ein Gefühl der Beschämung breitete sich gleichzeitig mit ihr aus. Imma hatte keinen Fluch auf sie gelegt, sie hatte sich für sie geopfert. Sie bedauerten ihre Taten und Worte, aber war es nicht jetzt zu spät?
Ein halbes Dutzend Männer brach zur Quelle auf, um sie zu reinigen, während Andin zu Victoria zurückkehrte. Diese war dabei, Imma auszuziehen, um ihre Wunden zu reinigen. Sie stand bei seiner Ankunft auf, um jemanden zu suchen.
»Ich brauche starke Arme, die sie stützen, während ich sie wasche. «
Er bot sich an.
»Ich nehme an, aber wenn du sie auch nur einmal jetzt, da sie nackt ist, mit den Augen eines Mannes ansiehst, bekommst du meine Faust ins Gesicht«, verkündete Vic.
Andin nahm diese deutlichen Worte mit einem Lächeln hin. Das bereitete ihm keinerlei Schwierigkeiten – er würde die Ärztin nicht aus den Augen lassen! Der Anstand hatte ihn schon zu lange daran gehindert, sie zu mustern; jetzt hatte er endlich eine gute Ausrede.
Nichts entging ihm: Er sah jeden Stern in ihren Augen, jeden goldenen Schimmer in ihrem kastanienbraunen Haar. Tausend Mal zeichnete er die Konturen ihrer Lippen nach, stellte sich ihre Süße und Frische vor und ließ seinen Blick dann über ihre Haut schweifen, die dank eines zu häufig im Sonnenschein verbrachten Lebens mit einigen kleinen Schönheitsflecken versehen war. Er nahm eine solche Anmut an ihr wahr und sah, mit welcher Sorgfalt sie jede von Immas Wunden auswusch: Vic schien sich mit Leib und Seele auf alles einzulassen, was sie unternahm. So als hinge ihr Leben davon ab. Sie gefiel ihm wie keine andere Frau auf diesen Welten.
Konzentriert und entschlossen, ihr Bestes für Imma zu tun, verschwendete Victoria keinen Gedanken auf Andin.
Er war fasziniert. Sein Geist schweifte in weite, weite Ferne. Eine Göttin mit seltsam blauen Augen trug ihn in ein perfektes Universum, in dem alles weiß und rein war. Sie umschlang ihn mit den Armen, drückte ihn an sich …
»Warum hast du mich gerettet?«, fragte Victoria plötzlich. Sie war fertig.
Andin war einen Moment lang sprachlos; die Rückkehr in die Wirklichkeit war zu abrupt und unerwartet. Und ohne dass er über seine Antwort nachgedacht hätte, erwiderte er, noch ganz in seinem Traum gefangen: »Um deiner Augen willen.«
Victoria war aus der Fassung gebracht: Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Antwort! Andin wäre gern eine Maus gewesen, um sich in einem Loch verkriechen zu können, so unbehaglich fühlte er sich. Was hatte ihn geritten, so etwas zu sagen? Imma war diejenige, die die Stille mit einem kleinen Lachen durchbrach.
»Das stimmt, das Blau deiner Augen muss
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