Die Rebellin von Leiland 2: Das Gift des Herzogs (German Edition)
gehorchst, keine ruhige Sekunde lassen werde. Also beeil dich! Und mach dich ein wenig zurecht– du hast ja noch nicht einmal dein Mieder ordentlich geschnürt!«
Das Mädchen lächelte plötzlich. So viel Geschrei und nichts dahinter!
Sie wandte sich gehorsam zur Tür, die noch halb offen stand. Joran sah sie über den Steg gehen.
» Du trägst ein Kleid, also nimm die Treppe!«, rief er.
Zu spät. Die Beine der jungen Frau hatten sich schon um eine Wurzel geschlungen, und sie verschwand zwischen den Blättern.
» Sturkopf!«, grummelte Joran in seinen Bart. Er strich sich mit den knochigen Händen über das affenartige Gesicht. Hinter seiner Wut verbarg sich in Wirklichkeit große Verzweiflung. Denn er hatte Angst, dass alles sich ändern würde: Er spürte, dass die Feen ihm gegenüber nicht mit offenen Karten spielten. Er hätte das Mädchen gern eigensüchtig für sich behalten.
» Ich leide darunter, dass du ihn so sehr liebst, kleine Prinzessin«, jammerte er. » Vergiss mich nicht!«
Elea strich sich mit knappen Bewegungen die Röcke glatt, die sich bei ihrem Herabgleiten hochgeschoben hatten, und brachte ihren Aufzug ein wenig in Ordnung. Sie ging hinter den Krankenzimmern entlang; die Holzplanken der Terrasse knarrten leicht unter ihren nackten Füßen.
Sten und Estelle lagen ausgestreckt auf zwei nebeneinanderstehenden Betten. Die junge Frau hatte die Hand auf die ihres Mannes gelegt. Er war noch nicht wieder bei Bewusstsein und sie konnte gar nicht anders, als trotz ihrer eigenen Müdigkeit über ihn zu wachen. Als sie die flüchtige Besucherin erkannte, schenkte sie ihr ein friedliches Lächeln.
Beruhigt ging Elea zur anderen Seite des Baums. Sie strich sich die Haare zurück und zog kleine, flache Schuhe an. Die Hand auf der Rocktasche, so dass die Finger den im Stoff gefangenen Ring umschlangen, ging sie an der letzten Wurzel vorbei und auf den Tisch zu.
Sie warteten alle auf sie, vom Größten bis zum Kleinsten, vom Ältesten bis zum Jüngsten, vom Verliebtesten bis zum Freundschaftlichsten. Auf der großen Tafel, die nicht so schnell wuchs wie die Anzahl der Bewohner des Verbotenen Waldes, war ein Gedeck für sie gegenüber von Andin aufgelegt worden.
Ihr Herz klopfte zu schnell, als sie ihren Platz erreichte, und das Blut schoss ihr mit ohrenbetäubendem Rauschen in den Kopf, als sie vor dem jungen Mann stand: Es gelang ihr nicht, auch nur ein Wort hervorzubringen. Sie hatte nur die Kraft zu einem weiteren Lächeln und wandte rasch den Blick ab, um nicht zu erröten.
Andin hätte heute Abend nicht hier sein sollen. Er fühlte sich an diesem Tisch zugleich wohl und fehl am Platze. Er hatte niemandem den wahren Grund für sein Kommen mitgeteilt. Er wartete auf Victoria. Als er sah, dass sie bei guter Gesundheit und so bezaubernd wie immer war, vergaß er seinen schmerzhaften Muskelkater und die letzten Gewissensbisse. Kaum hörte er die Frage ihres Milchbruders, der heute auf der Erwachsenenseite am Kopf des Tisches saß: » Und wo sind Selene, Imma und Chloe?«
» Meine Tochter ist Imma holen gegangen. Was meine Frau angeht, fürchte ich, dass sie nicht kommen wird«, antwortete Erwan stöhnend. » Andin macht ihr Angst.«
» Ich?«, antwortete Andin aus seinen Gedanken gerissen und drehte sich zu dem Zwerg, der neben ihm saß.
» Die Scylenmänner haben sehr helles Haar«, erklärte Elea leise; sie hatte die Sprache wiedergefunden. » Und du bist blond, Andin. Das ist genug, um sie davon abzuhalten, herzukommen.«
Die Sinnlichkeit ihrer Stimme betörte den jungen Mann einen Moment lang. » Warum…«
» Ich nehme es dir nicht übel«, unterbrach Erwan und stieß ihn mit dem Bein an. » Es ist bald fünf Jahreszeiten der Grünen Blätter her, dass wir Akal verlassen haben, und ich hätte nicht erwartet, dass Selene noch Angst hat, besonders hier. Ich habe einen Fehler begangen, als ich ihr mitgeteilt habe, dass Scylen ins Land gekommen sind. Heute Abend werde ich mit ihr sprechen.«
Andin hätte das Gespräch gern fortgesetzt, aber ein erstaunliches Schauspiel zog seinen Blick auf sich: Chloe, die ganz in Weiß erstrahlte, führte Imma, die in Rot und Schwarz gekleidet war, zum Tisch. Es schien, als ob der Engel des Verbotenen Waldes die Frau der Düsternis mitbrachte.
Andin hatte die blinde Hexe seit seinem Aufbruch aus Aces nicht mehr gesehen; er war sehr überrascht über ihre Ankunft. Ihr Gesicht war nicht weich und wies noch einige Spuren ihrer Krankheit auf, aber dennoch war
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