Die Rebellin von Leiland 2: Das Gift des Herzogs (German Edition)
Seid ihr etwa müde?«, rief Tanin und schüttelte den Kopf, um die langen Haarsträhnen aus dem Gesicht zu bekommen.
» Hören wir denn schon auf?«, fragte Erby erstaunt und spritzte so kräftig mit Wasser, wie er nur konnte.
Andin und Ceban suchten eilig das Weite. Sie stießen zu Erwan, der aus seinem Labor herunterkam; er trug die Sackleier in der Hand. Der Akaler hatte den Tag hinter seinen Destillierkolben und Kesseln verbracht.
» Hast du nicht vielleicht ein kleines Tröpfchen Schlafmittel über?«, fragte Ceban ihn.
Erwan lachte über seine Bitte. » Macht euch keine Sorgen– sie halten nur noch durch, weil sie so aufgekratzt sind. Sie werden auf einen Schlag ganz von allein einschlafen. Und das täte ich auch gern! Der Kopf dröhnt mir wie eine schwere Glocke!«
Andin und Ceban tauschten einen skeptischen Blick. Die beiden Kinder kamen hinter ihnen vor Energie überschäumend angelaufen.
» Wir könnten versuchen, mit dem Bogen zu schießen«, bat Tanin begeistert.
» Morgen, morgen«, antwortete Ceban am Ende seiner Kräfte und auch der Argumente.
Endlich erreichten sie den Fuß des Großen Baums. Wohlduftender Rauch drang zwischen den Luftwurzeln hervor und vermischte sich mit der Luft rings um den großen Tisch. Einige Küsse wurden gewechselt, die Kinder mit zwei oder drei Liebkosungen bedacht, ein paar Neuigkeiten wurden ausgetauscht und knapp Bericht über den Nachmittag erstattet.
» Hundertzehn Blendphiolen und dreihunderteinundzwanzig Schlafspitzen!«, rief Chloe, als ihr Vater eintraf.
» Das ist gut, mein Engel«, antwortete er und nahm sie in die Arme. » Aber es bleibt noch so viel fertigzustellen.«
» Uff!«, sagte sie und tat, als wolle sie gleich ohnmächtig werden.
» Was uns betrifft… Wir haben den Waffentransport beendet«, verkündete Allan, der hinter ihnen eintraf. » Nun bleibt uns nichts mehr bis auf die Vorräte für Olas, dann können wir alles in die Große Ebene bringen. Erby und Tanin waren großartig.«
Chloe ließ sich aus dem Griff ihres Vaters gleiten, um sich den beiden Jungen in die Arme zu werfen. Bewunderung oder Dankbarkeit? Auf jeden Fall küsste sie beide auf die Wange.
Einmal mehr fand Erwan das Verhalten seiner Tochter sonderbar. Sie schien die Wichtigkeit von Victorias Kampf zu verstehen. Die Anwesenheit der Scylen im Land hatte etwas in Chloes Leben verändert– oder er verschwendete jetzt mehr Aufmerksamkeit auf ihr Tun und ihre Gesten. Sie hatte sich nicht um die Phiolen mit dem Blendrauch kümmern wollen, aber sie hatte mit Virgine mitgehalten, was die Fertigstellung der einschläfernden Spitzen betraf, obwohl sie damit das Risiko eingegangen war, für mehrere Stunden einzuschlafen. Seine Tochter lachte mit einer Unschuld auf, die ihm zeigte, dass all seine Fragen eigentlich bedeutungslos waren.
» Wir können nicht nach Olas gehen, wenn wir Waffen verteilen«, sagte Ceban. » Die Dörfler rings um das Herzogtum Yil werden ihnen noch ein wenig länger helfen müssen. Wir müssen darüber mit Vic sprechen.«
» Du solltest auch mit deiner älteren Schwester sprechen, Ceban«, verkündete Ophelia. » Sie hat ein Stärkungsmittel eingenommen und will schon wieder ihren Platz unter euch als Kämpferin beanspruchen.«
» Jetzt schon? Wo ist sie?«
» Sie sitzt mit Sten und ihren Kindern im Krankenzimmer beim Essen. Sten geht es schon viel besser. Er möchte gern schon geheilt werden, aber Vic will ihr Füllhorn bei ihm nicht vor morgen Mittag anwenden. Es geht ihm so gut, dass er und Estelle nicht aufhören, sich darüber zu streiten, wer als Erstes wieder in den Kampf ziehen wird.«
» Das ist nach jeder Niederkunft dasselbe!«, knurrte Ceban.
» Von den Fenstern meines Labors aus habe ich gesehen, wie Vic von der Brücke-ohne-Wiederkehr gekommen ist. Sie muss unter dem Wasserfall sein und wird sich sicher beeilen«, beruhigte Erwan alle, als er an Andin vorbeikam.
Dieser Satz war derjenige, der die Aufmerksamkeit des jungen Mannes am meisten fesselte. Er hatte die junge Frau seit dem Morgen nicht mehr gesehen. Der Gedanke an ihren bevorstehenden Ausflug auf die Burg machte ihn gegen seinen Willen nervös.
» Komm, Andin. Spiel Sackleier, während du auf deine Melice wartest«, fügte der Zwerg hinzu.
Der Spitzname, den Erwan für sie hatte, machte Andin nun schon zum zweiten Mal neugierig, aber der junge Mann wagte es nicht, dem Alchemisten zu gestehen, dass er den akalischen Dialekt nicht vollkommen beherrschte. Es war sicher eine
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